Als Folge davon wurde nun ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen mich eingeleitet (siehe unten). Hauptargument ist, dass das vom Zoll sichergestellte "Arzneimittel" mehr als 50 µg Selen enthält und somit sogar verschreibungspflichtig sei. In dem Gesetz, auf welches man sich dabei beruft, steht das auch tatsächlich so drin: http://www.gesetze-im-internet.de/amvv/anlage_1.html
Nun kann man doch aber andererseits in jeder deutschen Apotheke REZEPTFREI und teils sogar in Drogeriemärkten Nahrungsergänzungsmittel kaufen, die teils deutlich mehr als 50 µg Selen enthalten. Wie passt das zusammen? Wie kann ich gegenüber der Behörde argumentieren? Wer weiß Rat?
ZitatAnlage 1 (zu § 1 Nr. 1 und § 5) Stoffe und Zubereitungen nach § 1 Nr. 1
Die Anlage enthält unter grundsätzlicher Verwendung der INN-Nomenklatur eine alphabetisch geordnete Auflistung der Stoffe und Zubereitungen. Verschreibungspflichtig sind, sofern im Einzelfall nicht anders geregelt, auch Arzneimittel, die die jeweiligen Salze der nachfolgend aufgeführten Stoffe enthalten oder denen diese zugesetzt sind. Unter äußerem Gebrauch im Sinne dieser Übersicht ist die Anwendung auf Haut, Haaren oder Nägeln zu verstehen. ...
Selenverbindungen - ausgenommen Selendisulfid zum äußeren Gebrauch in einer Konzentration bis zu 2,5 Gewichtsprozenten - - ausgenommen in Zubereitungen zum inneren Gebrauch mit einer Tagesdosis bis zu 50 my g Selen -
im EU-Ausland sieht man dies lockerer (EFSA upper limit: 300 µg), ein Import von dort zu Eigenzwecken ist legal möglich. Verkaufst du aber sowas wie die Two Per Day mit 200µg Selen (aus verschiedenen Verbindungen) in Deutschland so machst du dies am Besten wie einige Shops mit dem Zusatz: "nur für Tiere gedacht".
Da es um Selenmethionin geht würde ich so argumentieren und mir den Schuh von wegen nach Arzneimittelgesetz gar nicht erst anziehen: und wie folgt argumentieren:
Nahrungsergänzungsmittel sind per Gesetz definiert als in dosierter Form in den Verkehr gebrachte Konzentrate von Nährstoffen, die die individuelle Ernährung ergänzen können (NemV 2004). In Deutschland sind zahlreiche Präparate sowohl als Mono- als auch als Multipräparate erhältlich, die sich in ihrer Zusammensetzung, Dosierung und der als Selenquelle verwendeten Spezies unterscheiden. Die Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) erlaubt die Verwendung von Natriumselenit, Natriumhydrogenselenit und Natriumselenat als Selenquelle. Diese Positivliste wurde durch eine Verordnung der Europäischen Gemeinschaft mit dem in Präparat befindlichen L-Selenmethionin, aber auch um Selenhefe und seleniger Säure, ergänzt. (Verordnung (EG) Nr. 1170/2009 *).
Bei dem beanstandeten Präparat handelt es sich eindeutig um ein Nahrungsergänzungsmittel, insbesondere werden hier auch keinerlei Health Claims ausgesprochen.
Eine Höchstmenge für Selen in Nahrungsergänzungsmitteln ist in der NemV nicht festgelegt, auch bei Selen in Arzneimitteln wird die Menge nur bei der Frage der Verschreibungspflichtigkeit entscheidend. Auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sieht eine obere Grenze ( sog. Upper Limit oder auch UL) für Selen bei Erwachsenen aus allen Verbindungen und Formen erst bei 300µg am Tag erreicht**, auch diese wird bei der vom Hersteller empfohlenen Dosis von 100 µg nicht erreicht.
Daher sehe ich durch den Import dieses Präparates nach NemV keinen unzulässigen Verstoß gegen das AMG und OWiG als gegeben und bitte stattdessen um eine ordnungsgemäße Verzollung bei einer zolltariflichen Einordnung als Nahrungsergänzungsmittel (Tarifnummer 2106.90)
Disclaimer: Ich bin kein Anwalt und ICH würde so argumentieren- was du machst, musst du selber wissen oder einen Anwalt konsultieren. Bei evt. Ausdruck bitte unbedingt darauf achten dass die URL nicht abgeschnitten (mit "....") werden.
falls Du Deine Argumentation komplett selbst formuliert hast: Herzlichen Dank für diesen Aufwand. Ob ich das so übernehme, kann ich noch nicht sagen ... auf jeden Fall danke für die Inspiration. :)
Die Frage, die sich mir stellt, nämlich wie der Widerspruch zwischen der Verschreibungspflicht und einem gleichzeitigen freien Apotheken- und teils sogar Drogerieverkauf von Selen (mit mehr als 50 µg pro Tagesdosis) juristisch zu erklären ist, ist damit leider noch nicht beantwortet. Und ich denk, sowas müsste auch von einen gewissen Allgemeininteresse sein, zumindest hier, in solchen Foren ...
Das sind zwei verschiedene Betrachtungswinkel: einmal betrachtest du einen Stoff als Arzneimittel, sagen mir mal N-Acetyl-Cystein- somit Apothekenpflicht. Und dann verkaufst du als es unter dem Aspekt des Ergänzungsmittel (ohne unzulässige Health Claims) und auf einmal wird es nicht mehr apothekenpflichtig, ist frei verkäuflich!
Im übrigen könntest du dich theoretisch sogar auf das AMG berufen wenn eine Kapsel mind. 1 Gramm wiegt liegt Selen in der vierten Dezimalpotenz vor ;) § 5
Von der Verschreibungspflicht sind Arzneimittel ausgenommen, die aus den in der Anlage 1 zu dieser Verordnung genannten Stoffen und Zubereitungen aus Stoffen nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik, insbesondere nach den Regeln des Homöopathischen Arzneibuches hergestellt sind oder die aus Mischungen solcher Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen bestehen, wenn die Endkonzentration dieser Arzneimittel im Fertigprodukt die vierte Dezimalpotenz nicht übersteigt. Diese Arzneimittel dürfen auch mit nicht verschreibungspflichtigen Stoffen und Zubereitungen aus Stoffen gemischt werden.