Angestoßen durch einen Armbruch, dem ich mir bei einem Mountainbike-Unfall im Sommer letzten Jahres zugezogen hatte, habe ich, zunächst zu Rehabilitionszwecken, das erste mal seit einigen Jahren wieder angefangen, regelmäßig ein Fitness-Studio aufzusuchen. Da ich mich bisher eher dem Ausdauersport zugewendet hatte, war mein Bewegungspensum in der dunklen Jahreszeit doch immer recht eingeschränkt, was sich leider auch am alljährlich wiederkehrenden "Winterspeck" bemerkbar machte. Nun habe ich nicht nur festgestellt, dass das Fitness-Studio in dieser Hinsicht Abhilfe schafft, sondern bin, wie ich gestehen muss, auch ein wenig den Verlockungen des Anabolismus verfallen, weil es einfach Spaß macht, zu spüren (und zu sehen) wie die Muskalatur sich entwickelt.
Zum Jahreswechsel hatte ich mir daher vorgenommen, das Ganze bis zum Ende des Winterhalbjahres (wenn mich nichts mehr drinnen hält ) mal so richtig auszureizen und mir nach einiger Recherche neben einem anspruchsvollem Trainingsplan auch einen Post-Workout-Shake zusammengestellt. Das vorläufige Ergebnis ist seit Anfang des Jahres ein um 3 kg gestiegenes Körpergewicht bei einer laut Bauchfaltenmessung um 1-2 kg gesunkenen Fettmasse, was auf jeden Fall über meinen Erwartungen liegt, und zwar in meinem Maße, dass ich mir die Frage gestellt habe ob es überhaupt gut sein kann - aus Anti-Aging-Perspektive betrachtet - so stark in den Anabolismus zu gehen und ich vielleicht meinen Shake weglassen sollte (auch wenn es schade um die ganzen teuren Pülverchen wäre) oder die Trainingsintensität reduzieren.
Ausgehend von diesen Bedenken habe ich mich dann nochmal daran gemacht, die Literatur zum Thema zu durchforsten und da mein Augenmerk dabei verstärkt auf der Sportwissenschaft lag, fielen mir die geradezu groteske Diskrepanz in der Bewertung des gesamten mTOR-Komplexes auf, was für die einen (Spowis) im höchsten Maße erstrebenwert gilt, nämlich mTOR-Aktivierung, ist für die anderen (Alterungsforscher und alle die sich mit den assoziierten Pathologien beschäftigen) das "Böse schlechthin". Bezüglich Wachstumshormonen- und Faktoren wie IGF-1 sieht es ganz ähnlich aus. Dieser scheinbare Widerspruch erklärt sich natürlich daraus, das beide Seiten in ihrer jeweiligen Forschung ein unvollständiges Bild des Gegenstandes betrachten. Es handelt sich eben um komplexe Signalwege, die sowohl (potenziell auch in Anti-Aging-Hinsicht) nützliche Prozesse anstoßen, als auch unter anderen Umständen zu Pathologien beitragen. Entzündung, selbst wenn man ihre immunologische Funktion ausklammert, als etwas Schlechtes zu betrachten und ihre Inhibierung als erstrebenswert, ist letztlich ein genauso vereinfachender Dualismus wie die Bewertung von ROS als negativ und Antioxidanzien als positiv. Doch obwohl die ROS-Theorie der Alterung inzwischen allgemein als falsch bzw. übersimplifizierend bewertet wird, scheint sich nun, zumindest dem Tenor mancher Studien folgend, in Sachen Entzündung und Anabolismus wieder ein ähnlich falscher Reduktionismus etabliert zu haben.
Sehr erhellend fand ich in diesem Zusammenhang einen Blogbeitrag von Menno Henselmans (sein Blog ist übrigens für alle Kraftsportinteressierten, die auch ihren intrakranialen Muskel nicht vernachlässigen wollen, eine wahre Goldgrube). Er bringt dort im Zusammenhang mit mTOR den Begriff des Signal-Rauschabstandes ins Spiel, was im Anbetracht der Tatsache, das wir hier von physiologischen Signalwegen reden und die Signal-to-Noise-Ratio die fundamentale Größe in der Signaltheorie ist, derart schlüssig, ja wenn man einmal darüber nachgedacht hat, geradezu zwingend ist, das ich mich sofort gefragt habe, warum ich diesem Begriff zuvor in der Literatur nirgends gesehen habe.
Personen, die besonders gut auf Krafttraining ansprechen, so Henselmans, tuen dies auch deswegen, weil sie ein niedriges "Grundrauschen" der Entzündungsfaktoren aufweisen, was den Signal-Rauschabstand zum Trainigsstimulus erhöht. Dieser lässt sich also durch Verringern des Rauschens, also des Base-Line-Entzündungslevels nach unten vergrößern, als auch durch Maximieren des trainingsbedingten anabolen Stimulus durch Trainingsablauf und Supplementierung nach oben. Je größer der Signal-Rauschabstand, desto größer der Trainingserfolg.
So gesehen könnte ich mich beruhigt mit dem Shake in der Hand auf die Hantelbank zurücklehnen, habe ich doch in Sachen Lebensstil, Ernährung und Supplementierung alles für meine Rauscharmut getan und darf nun die muskulären Früchte meiner antiinflammatorischen Anstrengungen ernten, andererseits... ist da natürlich noch der in Henselmans' Artikel außen vor gelassene hormonelle Aspekt, und damit meine ich in diesem Zusammenhang mal nicht vorrangig den androgenen, sondern den der Wachstumshormone- und Faktoren wie eben IGF-1. Hier gibt es ja nun einige ernst zunehmende Befunde, u.A. die Publikationen von Valter Longo, die es zumindest schlüssig erscheinen lassen, dass eine verstärkte Aktivierung dieser hormonellen Achse aus Anti-Aging-Sicht nicht gerade erstrebenswert ist, und dass hier über das mTOR-System eben auch ein Zusammenhang zur Protein- bzw. genauer gesagt Leucin-Zufuhr gegeben ist. Und hier, auf hormoneller Ebene, passt das Bild vom Signal-Rauschabstand nicht mehr so einfach, weil wir uns nicht mehr nur das Geschehen in der gesunden, gut durchtrainierten Muskelzelle anschauen können, sondern auch das der viszeralen Fettzelle oder z.B. eben auch der entarteten Hautzelle, die zuviel UV-Strahlung abbekommen hat, mit betrachten müssen.
Ein geringer inflammatorischer Rauschpegel mag daher ein wichtiger Faktor sein, der zu einem guten Trainingserfolg beiträgt, genetische Prädisposition und epigenetische Regulation in Sachen Hormonhaushalt dürften aber m.E. die deutlich gravierenderen Faktoren sein. Und da stellt sich schon noch die Frage, wie weit man, wenn man eher der "wachstumsaffine" Typ ist (was aus Anti-Aging-Sicht ja problematisch ist), abzulesen bei mir etwa am Körperbau und vielleicht auch den diversen autoimmun-bedingten Wehwehchen mit denen ich mich in der Vergangenheit so herumzuschlagen hatte, dem Ganzen noch zusätzlich einheizen sollte. Negativ aufgefallen ist mir, dass ich seit Beginn meines Programms zwei Pickel im Gesicht bekommen habe - etwas, das mir eigentlich schon seit vielen Jahren gänzlich unbekannt war. Das ist aber auch das Einzige.
Danke für die umfassende Betrachtung. Ja, ich halte eine übermäßige Ausprägung von mTOR sowie des Wachstumshormons auch nicht unbedingt für A-A förderlich. Hat man schon vielfach gelesen.
Eine besondere Kompensation der ROS, die beim Kraftsport sicher vermehrt entstehen, wird ja aus bekanntem Grund nicht empfohlen (Auslösung von Reparaturmechanismen). Ähnlich verhält es sich mit Entzündungen, die durchaus auch ihren Nutzen im Sinne von Bereinigung haben, solange sie nicht chronisch sind.
Nun hat Krafttraining ja auch seine Phasen, d.h. man wird ihn ja ein Leben lang nicht gleichmäßig gestalten. Bei mir kann ich von drei Phasen ausgehen: 1. die Abnehmphase (von 90 auf 72 kg, die ich nach 2 Jahren immer noch habe). Krafttraining um keine Muskeln abzubauen. (3 x pro Woche). 2. die Muskelaufbauphase (2 x pro Woche) 3. die Erhaltungsphase ( 1 x pro Woche ca. 90 min)
Ich begann mit 64 Jahren. Ich bin in soweit zufrieden, als ich im Maschinenbereich einige Geräte "outperformed" habe. Macht kaum jemand, die meisten Jungen auch nicht. Also ich bin zufrieden, möchte jetzt kein Bodybuilder werden. Wenn ich das noch in 10 Jahren ... schaun wir mal.
Als Begründung für Kraftsport sehe ich allerdings vor allem folgendes: - Stärkung der Knochen, Gelenke, Sehnen, Verhinderung von Sarkopenie - epigenetische Reprogrammierung, zumindest im Muskelgewebe - "Gehirntraining" durch intensiven Gehirn-Muskel-"Crosstalk" - Hautverbesserung (da ich da auch andere Mittel verwende, kann ich das nicht direkt bestätigen, wurde aber beschrieben. - besserer "Look and Feel"
Auf jeden Fall ist Kraftsport und Muskelaufbau für mich ein entscheidender Beitrag einer gewissen "Verjüngung". Gegenbeispiele laufen outdoor genügend herum. Habe keine Wehwehchen. Aber D hat "Rücken", wie ein Buchtitel lautet. Man hätte es in geschätzt 70% verhindern können. Und ob man dann etwas länger oder kürzer lebt, wird ja am Ende entschieden.
Ich pers. finde, man sollte bei diesem und auch anderen entsprechenden Themen, bis hin zur Ernährung, neben aller Wissenschaftlichkeit und deren durchaus interessanten Aspekten und Erforschungen, vor allem wieder dem Körpergefühl folgen und vertrauen.
Wenn, z. B. durch Kraftsport, ein körperliches und geistiges Wohlgefühl vorhanden ist, man dabei im Einklang von Körper und Geist ist, diese "Tätigkeit" Freude bereitet und sogar die gewünschten Resultate erbringt, dann kann diese Tätigkeit nicht falsch sein, mTor hin, APMK her. Das sind alles natürliche körpereigene Vorgänge, die wichtig sind, die der Körper beide für jeweils entsprechende bestimmte Vorgänge braucht und die nur im Extrem schaden und ungesund sind. Das immer wieder genannte Gleichgewicht der Kräfte, nach dem auch der menschliche Körper strebt, ist entscheidend. Das man durch temporäres Überschreiten dieser Grenzen (Progression) eine Anpassung des Körpers erzwingt, hat, wenn auch wieder ein Gleichgewicht (auf höherem Niveau) hergestellt wird (Regeneration), dann sogar entsprechend positive Auswirkungen auf Konstitution und Gesundheit, vielleicht sogar auf Lebensdauer.
Ich jedenfalls lasse mir von keinem "Experten" mehr irgendwelche Dinge einreden, sondern entscheide und prüfe selbst. Nicht nur beim Kraftsport, bei dem, wie bei anderen Sportarten auch, bei aller auch vorhandenen allg. Grundsätze, immer vergessen wird, das all das doch immer auch individuell und subjektiv ist und bleibt.
Das heißt nicht, daß man Ratschläge, wissenschaftliche Studien etc. ignoriert oder meint alles besser zu wissen etc., ganz im Gegenteil, aber in Stein gehauen und absolut ist dabei für mich nichts.
Ich halte es da, wie mein jetzt schon ein paar mal zitierter lebender Lieblingsphilosoph.
Kalorienrestriktion, Proteinrestriktion und Fasten sind wirksame Maßnahmen zur Altersverzögerung. (Stichwort: mTOR-Hemmung/Autophagie-Aktivierung). Was aus meiner Sicht allerdings immer wieder übersehen wird:
Der Körper braucht Zyklen!
Das bedeutet schlicht: Jede Fastenphase muss durch eine anabole Phase kompensiert werden.
Hier beispielhaft einige Argumente für eine temporäre mTOR-Aktivierung aus Anti-Aging Sicht:
-Natürliche Telomerverlängerung funktioniert nur im anabolen Zustand. -Kurzfristige Entzündungsreaktionen wirken hormetisch, also reparaturfördernd -Die Effizienz einer Senolyse steigt ebenfalls durch eine kurzfristige Entzündungsreaktion!
Selbstverständlich ist Kraftsport ein sinnvoller Bestandteil einer ausgewogenenen Anti-Aging Strategie!
P.S.: Viele Hobby-Bodybuilder setzen zu häufige Trainingsreize und halten die Regenerationsphase zu kurz, leider oft auch in Kombination mit kontinuierlicher(!) hyperkalorischer Ernährung. Wer Bodybuilding gründlich betreiben will, sollte nicht nur auf Masse, sondern auch auf die Definition achten!
Danke für euer Feedback. Ich fühle mich darin bestätigt, mein Vorhaben durchzuziehen. Es fühlt sich bisher alles gut und richtig an.
Den zyklischen Aspekt habe ich dergestalt berücksichtigt, als das ich das Winterhalbjahr zur Anabolismus-Phase und das Sommerhalbjahr zur Autophagie-Phase machen möchte. Das geht für mich ganz natürlich aus den Jahreszeiten hervor: im Sommer mache ich draußen Ausdauersport (Mountainbiken, Radfahren, Laufen, Schwimmen) und möchte möglichst wenig Zeit im Fitness-Studio verbringen (vielleicht mal in Schlechtwetter-Perioden). Also AMPK-Aktivierung. Dazu passt auch die Ernährung, denn die ist bei mir gerade im Sommer weitestgehend vegetarisch und Mittelmeer-orientiert. Im Winter bekomme ich hingegen durchaus Lust auf die deftigere Küche hiesiger Gefilde, und da steigt natürlich auch der Fleischanteil. Bisher habe ich mich da immer zu mäßigen versucht, aber im Zusammenhang mit dem Trainingsprogramm* "gönne" ich mir jetzt die erhöhte Proteinzufuhr, die eine regionale und saisonale Ernährung nahelegt (ich komme trotzdem nicht annähernd auf die anabolisch maximal effektiven 1.6 g/kg, weswegen ich mit moderat mit Quark und Wheyshake* nachhelfe). Die Frage ist natürlich, inwieweit die Dauer dieser Halbjahreszyklen physiologisch "optimal" ist.
Mit den von @Dr.Faust genannten Phasen korreliert das insofern, als das der Sommer dann "Erhaltungsphase" ist, im der ich vielleicht einmal die Woche Krafttraining machen werde, was stark zum Kontrast zu dem Winterprogramm** steht das ich mir jetzt auferlegt habe. Die Muskulatur wird sich dann vielleicht wieder ein wenig zurückbilden, aber das stört mich nicht, und: Das "Use it or loose it"-Mantra ist ohnehin durch die Forschung widerlegt.
Zitat von Prometheus im Beitrag #4 -Natürliche Telomerverlängerung funktioniert nur im anabolen Zustand.
Zitat von Prometheus im Beitrag #4 P.S.: Viele Hobby-Bodybuilder setzen zu häufige Trainingsreize und halten die Regenerationsphase zu kurz, leider oft auch in Kombination mit kontinuierlicher(!) hyperkalorischer Ernährung. Wer Bodybuilding gründlich betreiben will, sollte nicht nur auf Masse, sondern auch auf die Definition achten!
Mein Programm ist zwar relativ intensiv, aber ich hoffe ausreichend abwechslungsreich um der Regeneration trotzdem genug Raum zu lassen. Kleinere Auszeiten ergeben sich durch Termine (oder Schnupfen, wie jetzt gerade ) ganz von alleine immer mal wieder. Ansonsten setzte ich auf moderat erhöhte und ideal getimte (Post-Workout-Shake) Proteinzufuhr. Ich werde (gerade in Anbetracht der bisherigen Resultate) den Teufel tun, mich bewusst hypokalorisch zu ernähren! Das ist für mich eine rote Linie - nicht weniger als anabole Steroide.
--- Hier die Details, falls es jemanden interessiert. Bitte um Feedback, falls euch etwas daran bedenklich erscheinen sollte:
* Trainingsprogramm: 3 x pro Woche 10 min HIIT + 50 min freies Krafttraining (mit wechselndem Schwerpunkt auf Oberkörper, Unterkörper, Core), 1 x 60 min Bodypump , 1x 60 min Bodyfit (Kraft-Ausdauer), nach jedem Training 10 min Lockerungslauf und dann für 15 min ab in die 90°-Sauna. - zusätzlich jede Woche min. 10 km draussen laufen. Das ist natürlich der Idealplan, den ich zeitlich nicht jede Woche schaffe.
** Post-Workout-Shake: 25 g Whey (80%), 5 g Kreatin, 5 g IMO, 5 g Kakao, 1 g Zimt, 1 g Kurkuma, 1 g MSM, 1 g HMB und 1 g Taurin - vielleicht eine etwas seltsames Gemisch, aber in der Formel stecken viele Stunden an PubMed-Eskapaden
Your life expectancy grows, the more anabolic – and fewer catabolic – hormones your body produces. Researchers at Harvard Medical School reached this conclusion after performing a molecular-epidemiological study on 925 men and women over the age of 54.
Study The researchers used data that had been gathered in the Taiwanese Social Environment and Biomarkers of Aging Study. For that project scientists measured the concentration of the hormones IGF-1, DHEA and cortisol and the inflammatory protein interleukine-6 in the blood of 925 Taiwanese people. They also measured the length of the telomeres in DNA of the subjects' white blood cells. The shorter the telomeres, the shorter the amount of time you probably have left to live.
Interessant auch deshalb, weil es dem groben Life-Extender-Dualismus von MPK/mTOR widersprcht. IGF-1 gilt ja eigtl. nicht als "lebensverlängernd"
Die "Lifeextender" müssen erst Mal zeigen, dass sie etwas verlängern. Ist eigendlich genauso "verrückt" wie mit HDO Verarmungung ein biblisches Alter zu erreichen. Vielleicht stehen die Chancen sogar besser ;)