Für Menschen über 60 scheinen Vollnarkosen leider um einiges riskanter zu sein, als man allgemein annehmen würde. Bei einer nicht zu vernachlässigenden Zahl scheint es eine Demenzerkrankung auszulösen! Also, am besten gesund leben, um Operationen vorzubeugen. Das Risiko bei einer Operation zu erwachen scheint bei Rauchern und Menschen die Regelmäßig Alkohol trinken oder Opiate einnehmen erhöht zu sein. Daher, möglichst lange vor einer OP auf Nikotin, Alkohol und Opiate verzichten, damit die Leber die Enzymaktivität runter fährt und die Narkosemittel nicht zu schnell abbaut. Es ist ja auch für die Heilung nach OPs wichtig nicht zu rauchen (aber hier wird ja eh kaum einer rauchen). RE: News aus der Forschung
Ups, dann lasse ich das Opiumpfeifchen lieber liegen. Bei meinem Vater(81) hatte die Vollnarkose und die OP eine Demenz ausgelöst. Er war nicht mehr so Fit, Kettenraucher, sehr schwaches Herz, Vaskuläre Demenz, aber immer noch ein Mensch mit Verstand. Nach der OP (denke auch Herzstillstand) war er ein Kartoffel, was sich etwas verbessert hat aber letztlich war es gut, daß er dann bald verstarb. Ich denke er hatte ein paar Pillen gebunkert aber nur Vermutung.
PS: Mein Vater hatte auch Delir bei Op's davor. Für ihn real...halt Halluzinationrn.
Für Menschen über 60 scheinen Vollnarkosen leider um einiges riskanter zu sein, als man allgemein annehmen würde. Bei einer nicht zu vernachlässigenden Zahl scheint es eine Demenzerkrankung auszulösen! Also, am besten gesund leben, um Operationen vorzubeugen.
War bei meiner Mutter so. Vor der Narkose geistig topfit. Einige Tage später war sie nur noch irgendeinenen Wirrwarr am reden. Das hatte sich auch nicht mehr gelegt.
Meine Oma war etwas mehr als einen Monat nach einer OP auch ziemlich durcheinander und vergesslich. Jetzt nachdem ich diese Dokumentation gesehen habe, denke ich sie war auch ein Opfer eines Delirs.
Allerdings, blieb kein wirklich leicht bzw. offensichtlich erkennbarer geistiger Schaden zurück. Wenn ich mir die Berichte von Speedy und Jayjay in #4 und #5 ansehe muss man wohl sagen, sie hatte Glück.
Eigentlich ein Wahnsinn, dass man kaum weiß wie die derzeit benutzten Stoffe die für Narkosen benutzt werden überhaupt wirken.
Kleine andere Anekdote, meine Mutter hat auch mal nach einer Lokalanästhesie beim Zahnarzt ca. 10 Tage nur noch unscharf gesehen. Damals sagte der Arzt, es kann ab und zu vorkommen, dass das Schmerzmittel auch Nerven im Auge erreicht, die für die Regelung der Augenmuskulatur notwendig sind.
Das blöde an der Narkose ist halt, man braucht sie einfach. Was will man da tun. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Xenon Xenon ist interessant und ist mir neu. Kommt sofort in mein Kreiselatemgerät...Dem Viren keine Chance
PS: Schlafmohntee macht Schlaf! Und wohlige Gefühle und dumm und träge + Kater.
Bis zu 60% der über 65 jahre alten Patienten leiden nach einer Narkose unter einem Delir!
Risiko Narkose – wie hoch ist es wirklich? | Fit & gesund
Ein Narksoearzt der meint, 1-2 von Tausend Patienten wachen während einer Narkose unter der Operation auf. 8-9 von Zehntausend, versterben durch die Narkose. Für dauerhafte Hirnschäden wie Demenz nach einer Narkose sind seiner Meinung nach nicht nur die narkotisierenden Medikamente verantwortlich, sondern auch die Operation selbst und das ganze Krankenhaussetting.
Auch wenn es hier um Corona geht, ist es auch in Hinsicht auf Narkose-induzierte Delirium interessant zu lesen...
Covid-19 und Delirium: Droht ein Zuwachs an Demenzfällen? Delirium kommt auf Covid-19-Stationen sehr häufig vor. Das ist besorgniserregend. Denn ein einziger Deliriumanfall erhöht das Risiko, Jahre später an Demenz zu erkranken.
ZitatIn ihrer Tätigkeit als Ärztin am Boston Medical Center in Massachusetts hat Sondra Crosby einige der ersten Fälle von Covid-19 in ihrer Region behandelt. Als sie sich im April selbst krank fühlte, war sie also nicht überrascht zu erfahren, dass auch sie sich infiziert hatte. Zuerst fühlten sich ihre Symptome an wie die einer schlimmen Erkältung. Aber am zweiten Tag war sie zu krank, um aus dem Bett aufzustehen. Sie konnte kaum essen und war darauf angewiesen, dass ihr Mann ihr isotonische Getränke und fiebersenkende Medikamente brachte. Dann verlor sie völlig das Zeitgefühl.
Fünf Tage lang umgab Crosby ein Art Dunstschleier. Sie war unfähig, sich an die einfachsten Dinge zu erinnern, zum Beispiel, wie sie ihr Telefon einschalten konnte oder wie ihre Adresse lautete. Sie begann sie zu halluzinieren, sah Eidechsen an ihren Wänden und schien diese auch zu riechen. Erst später erkannte Crosby, dass sie im Delirium gewesen war, wie Fachleute ihre abrupte schwere Orientierungslosigkeit nennen. »Ich habe erst später wirklich damit begonnen, dieses Erlebnis zu verarbeiten, als ich anfing, das Delirium zu überwinden«, sagt sie. »Ich stand damals neben mir, ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich etwas anderes als nur krank und dehydriert war.«
Häufig berichten Ärzte, die Covid-19-Patienten im Krankenhaus behandeln, dass viele von ihnen an einem Delirium leiden und dass die Erkrankung ältere Erwachsene unverhältnismäßig stark betrifft. Eine im April 2020 in Straßburg durchgeführte Studie ergab, dass 65 Prozent der Menschen, die schwer an Covid-19 erkrankt waren, an akuter Verwirrung litten – ein Symptom des Deliriums. Im November stellten Wissenschaftler des Vanderbilt University Medical Center auf der Jahrestagung des American College of Chest Physicians Daten vor, die zeigten, dass 55 Prozent von 2000 weltweit auf Intensivstationen behandelten Patienten ein Delirium entwickelt hatten. Diese Zahlen liegen weit über dem üblichen Durchschnitt: Laut einer Metaanalyse aus dem Jahr 2015 entwickelt in der Regel nur etwa ein Drittel der schwerkranken Menschen ein Delirium.
Wie Covid-19 das Gehirn schädigen kann Delirium ist bei Covid-19 so häufig, dass einige Forscher nun vorschlagen, es zu einem diagnostischen Kriterium der Krankheit zu machen. Die Pandemie hat das Interesse der Ärzte an dem Zustand geweckt, sagt Sharon Inouye, eine Geriaterin am Marcus Institute for Aging und der Harvard Medical School in Boston, die sich seit mehr als 30 Jahren mit dem Delirium beschäftigt.
Während für die Kliniker die Verwirrung und Unruhe der Patienten eine aktuelle Sorge ist, bereitet Inouye und anderen Forscher eher der Blick in die Zukunft Unbehagen. In den vergangenen zehn Jahren haben Langzeitstudien gezeigt, dass ein einziger Deliriumanfall das Risiko erhöht, Jahre später an Demenz zu erkranken, und dass der kognitive Verfall bei denjenigen, die bereits an der Krankheit leiden, beschleunigt werden kann. Umgekehrt gilt auch: Wenn jemand an Demenz leidet, ist es wahrscheinlicher, dass er an einem Delirium erkrankt.
Mit ein paar einfachen Maßnahmen lässt sich die Häufigkeit von Delirium zwar verringern – ist beispielsweise ein Familienmitglied anwesend, das dem Patienten bei der Orientierung hilft, sinkt sie um 40 Prozent. Doch Ärztinnen und Ärzte fällt es oft schwer, diese Ratschläge auf ihren Covid-19-Stationen umzusetzen.
Vernachlässigte Erkrankung Die Verbindungen zwischen Delirium und Demenz sind schwer zu entwirren, denn Forscher müssen dafür ihre Patienten jahrelang begleiten. Wie sich Covid-19 langfristig auf die geistige Gesundheit auswirkt, wird darum nun in gleich mehreren Studien erforscht. Wie die beiden Erkrankungen zusammenhängen, könnte so in Echtzeit untersucht werden, hoffen Experten wie Inouye: Sofern eine Pandemie überhaupt etwas Gutes haben könne, dann sei das für sie dieser Umstand, sagt die Forscherin. Außerdem, findet Catherine Price, Neuropsychologin an der University of Florida, habe die Ausbreitung von Covid-19 den Blick darauf gelenkt, dass es keine scharfe Trennung zwischen Demenz und Delirium gebe – eine wichtig Erkenntnis in einer alternden Bevölkerung.
Inouyes Interesse am Delirium begann, als sie 1985 ihren ersten Job als Internistin in einem Krankenhaus der Veterans Administration in Connecticut bekam. In ihrem ersten Monat dort behandelte sie mehr als 40 Menschen. Sechs von ihnen erkrankten während ihres Aufenthalts an einem Delirium; keiner schien danach je zu seinem früheren körperlichen und geistigen Gesundheitszustand zurückzukehren. Für Inouye war der Zusammenhang zwischen dem Delirium der Patienten und ihrer schlechten Prognose offensichtlich. Als sie ihren Vorgesetzten von ihrem Verdacht berichtete, zuckten diese jedoch nur mit den Achseln. »Warum wird es als normal angesehen, dass Senioren ins Krankenhaus kommen und den Verstand verlieren?«, fragte Inouye. Die Beantwortung dieser Frage, sagt sie, ist »ein harter Kampf, der meine gesamte Karriere durchzieht«.
Kurz darauf begann sie ein zweijähriges Stipendium, um die Erkrankung eingehend zu untersuchen. Ihre Arbeit zeigte, dass ein Delirium entsteht, wenn mehrere Belastungen zusammenkommen. Bereits bestehende Probleme wie eine chronische Krankheit oder kognitive Beeinträchtigung können in Kombination mit Auslösern wie einer Operation, Anästhesie oder einer schweren Infektion zu einem plötzlichen Ausbruch von Verwirrung, Desorientierung und Aufmerksamkeitsschwierigkeiten führen, insbesondere bei Menschen fortgeschrittenen Alters.
»Delirium tritt leicht dann auf, wenn das Gehirn eine Stresssituation nicht bewältigen kann«, erklärt Tino Emanuele Poloni, Neurologe der Golgi-Cenci-Stiftung in der Nähe von Mailand. Dem könnten Entzündungen zu Grunde liegen oder auch ein Ungleichgewicht von Neurotransmittern – chemischen Botenstoffen wie Dopamin und Acetylcholin.
Jeder dritte Delirium-Patient erholt sich nicht wieder Aus ihrer klinischen Erfahrung weiß Inouye, dass ungeachtet dessen, was ein Delirium auslöst, etwa 70 Prozent der Menschen mit Symptomen vollständig genesen. Bei den übrigen 30 Prozent beginne eine Abwärtsspirale über Monate hinweg, die zu einer schwer wiegenden kognitiven Beeinträchtigung bis hin zu Demenzerscheinungen führt.
Studien bestätigen diesen Zusammenhang in unterschiedlichem Ausmaß. Inouye untersuchte eine Gruppe von 560 Personen im Alter von 70 Jahren oder älter, die sich einer Operation unterzogen hatten, und stellte fest, dass der kognitive Rückgang in den folgenden 36 Monaten bei denjenigen, die ein Delirium entwickelten, dreimal schneller verlief als bei denjenigen, die die Krankheit nicht hatten. Eine 2020 durchgeführte Metaanalyse von 23 Studien zeigte, dass ein Delirium während eines Krankenhausaufenthalts mit einer 2,3-mal höheren Wahrscheinlichkeit mit einer späteren Demenz verbunden war. Und die Arbeit eines brasilianischen Wissenschaftlerteams zeigte, dass in einer Gruppe von 309 Personen mit einem Durchschnittsalter von 78 Jahren 32 Prozent der Personen, die im Krankenhaus ein Delirium entwickelten, dement wurden – verglichen mit nur 16 Prozent der Personen, die nicht im Delirium lagen.
Je länger eine Person im Delirium ist, desto größer ist zudem das Risiko einer späteren kognitiven Beeinträchtigung, so eine Studie des Psychologen James Jackson von der Vanderbilt University und seiner Kollegen aus dem Jahr 2013. Arbeiten von Inouye, Jackson und anderen Forschern ergaben, dass dieser Zusammenhang auch andersherum besteht: Liegen bereits Demenzsymptome vor, ist auch die Wahrscheinlichkeit, ein Delirium zu entwickeln, höher.
Fraglich ist allerdings für viele Wissenschaftler, ob dieser Zusammenhang nur bei denjenigen deutlich hervortritt, die ohnehin eine Demenz entwickelt hätten. Oder tritt er auch bei Personen auf, die keine Veranlagung für Demenz haben? Auch was an einem Delirium eine Demenz auslösen könnte, wisse man nicht, erklärt Price. Ein besseres Verständnis könnte womöglich verhindern helfen, dass sich ein Delirium zu einer Demenz auswächst. »Wir verstehen die Mechanismen des Deliriums überhaupt nicht. Und es gibt kein erfolgreiches Management des Deliriums aus pharmazeutischer Sicht«, sagt Price.
Führt Veranlagung zu Demenz zu Delirium oder anders herum? Drei Hypothesen für die demenzfördernden Eigenschaften des Deliriums wurden bereits entwickelt. Laut einer könnte die Ansammlung giftiger Abfallstoffe in der Zelle kurzfristig für ein Delirium verantwortlich sein und langfristig zu demenzartigen Schäden führen. Der Körper entsorgt diesen molekularen Müll in der Regel über die Blutbahn und das glymphatische System, ein Netz aus Kanälchen, das mit Liquor gefüllt sind. Bleiben Gefäßschäden durch ein akutes Delirium dauerhaft bestehen, könnten sie eine Demenz auslösen. Möglich auch, dass ein Delirium die Gefäße im Gehirn dauerhaft anfälliger für Probleme macht.
Die zweite Hypothese hat Entzündungen im Verdacht, wie sie häufig Menschen erleiden, die wegen Infektionen, Atemnot oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Werden chirurgische Eingriffe durchgeführt oder muss der Körper eine schwere Infektion abwehren, sammeln sich oft zelluläre Abfallstoffe, die eine weitere Entzündung auslösen. Wie eine Art Notfallprogramm schützt diese das Gehirn, indem sie den schädlichen Schutt beseitigt und dann abklingt. Nicht jedoch bei Menschen, die ein Delirium entwickeln, sagt Inouye: Eine andauernde Entzündung könne ein akutes Delirium auslösen und Neurone in Mitleidenschaft ziehen, was zu kognitiven Schäden führt.
Die dritte Hypothese ist die so genannte Schwellenwert-Hypothese. Menschen mit einer Demenz haben selbst in den frühesten Stadien der Krankheit weniger Verbindungen zwischen Neuronen und oft auch Schäden an der so genannten weißen Substanz, die für die Signalweiterleitung nötig ist. Dadurch sind ihre neurologischen Reserven geschwächt. Tritt nun eine schwere Entzündung auf, kippt das System laut dieses Hypothese nicht nur ins Delirium, sondern womöglich auch in eine weiter fortgeschrittene Demenz.
Allen Unklarheiten und offenen Fragen zum Trotz ist es Inouye gelungen, den Anteil delirierender Patienten zu senken. Ihr Programm enthält einfache Maßnahmen und konzentriert sich darauf, die medikamentöse Ruhigstellung zu reduzieren – selbst während einer künstlichen Beatmung –, auf Ernährung und Flüssigkeitszufuhr zu achten und die Anwesenheit von Familienmitgliedern zur Beruhigung und Orientierung der Patienten sicherzustellen. Eine 2015 durchgeführte Metaanalyse zeigte, dass diese Schritte, die sie HELP (Hospital Elder Life Programme) getauft hat, die Deliriumshäufigkeit um etwa 40 Prozent reduzierten. US-Kliniken übernahmen das Programm. Doch dann kam das Coronavirus und änderte alles.
Zitat von jayjay im Beitrag #8Das blöde an der Narkose ist halt, man braucht sie einfach. Was will man da tun.
Man sollte vielleicht aber auch kritisch hinterfragen, wie viele Operationen wirklich sinnvoll sind. Anscheinend hat man lange (wie bei Orthopädischen Einlagen) gar keine richtigen Studien durchgeführt, um überhaupt zu prüfen, ob Operationen auch wirklich helfen! Man hat den menschlichen Körper einfach wie ein altes Auto angesehen, an dem man einfach nur "mechanisch herum werkeln" muss.
Placebo-Effekt in der Chirurgie: Die Aufschneider Haut einritzen, ziellos einen Schlauch einführen und schon geht es dem Patienten besser: Auch Scheinoperationen helfen - und werfen die Frage auf, wie wirksam viele der neuen OP-Verfahren eigentlich sind.
ZitatWenn Chirurgen zum Skalpell greifen, können sie häufig beeindruckende Erfolge vorweisen. Sie retten Leben, lindern Schmerzen, befreien von schlimmer Pein. Allenfalls Feuerwehrleute, Polizisten und Bergretter kennen ähnlich heldenhafte Auswirkungen ihrer Arbeit. Umso überraschender ist das, was Mediziner aus Oxford jetzt über das Tun der professionellen Aufschneider herausgefunden haben. Im aktuellen British Medical Journal berichten sie, dass bei Dutzenden Eingriffen und Operationsmethoden in der Hälfte der Fälle keinerlei Unterschied zu einer Scheinbehandlung festzustellen war (Bd. 348, S. g3253, 2014).
Dieser erstaunliche Befund heißt nicht, dass die Patienten nach der Operation keine Linderung verspürt hätten oder sich nicht besser fühlten. Die erfreuliche Wirkung war jedoch nicht auf den Eingriff oder das handwerkliche Geschick des Operateurs zurückzuführen, sondern wurde bei Kranken in der Placebo-Gruppe in ähnlichem Ausmaß beobachtet. Wer das Gefühl hatte, dass ihm geholfen wurde, dem ging es anschließend besser, egal ob er spezifisch therapiert wurde oder die Ärzte so taten, als ob er eine Behandlung bekam.
Die Oxford-Ärzte um Andrew Carr nahmen 53 Interventionen unter die Lupe.
ZitatSo untersuchten die Forscher die Folgen eines Shunt-Abflusses bei Alzheimer, die Injektion von Eigenfett bei Inkontinenz, die Übertragung fötaler Hirnzellen bei Parkinson und diverse endoskopische Verfahren und Laserbehandlungen bei blutenden Magengeschwüren, Krampfadern der Speiseröhre, Endometriose oder chronischem Sodbrennen. Die Auswirkungen einer Versteifung der Wirbelsäule und der Deaktivierung so genannter Triggerpunkte bei Migräne wurden ebenfalls analysiert.
Nur bei 26 der 53 Verfahren erwies sich der chirurgische Eingriff als überlegen, "doch dieser Vorteil fiel im allgemeinen sehr gering aus", sagt Karolina Wartolowska, die Erstautorin der Untersuchung. Bei 27 Operationsmethoden erging es den Patienten hingegen anschließend nicht besser als jenen Teilnehmern, die nur zum Schein behandelt worden waren und bei denen nur die Haut eingeritzt oder das Endoskop eingeführt wurde, ohne es zu bedienen.
Zitat"Chirurgen haben immer gesagt, dass man operative Verfahren nicht mit placebokontrollierten Studien untersuchen kann", sagt der Bremer Gesundheitswissenschaftler Norbert Schmacke. "Jetzt zeigt sich, dass es doch geht - und dass eine erstaunlich große Anzahl von Interventionen den Patienten keinerlei Vorteile bringt."
ZitatBeispiel Knie: Jeder zehnte Erwachsene klagt über Beschwerden mit dem größten Gelenk seines Körpers. Ärzte empfehlen Patienten dann häufig eine Arthroskopie, dabei wird der Innenraum des Knies gespült, Knochenwülste werden abgefräst und Knorpel glatt gehobelt. Schnitt in die Haut, dazu kommen OP-Geräusche vom Band - schon geht es vielen Patienten besser
Der Orthopäde Bruce Moseley aus Houston hat 2002 auf verblüffende Weise gezeigt, wie fragwürdig dieses von Orthopäden als "Gelenktoilette" bezeichnete Verfahren ist - und dass sich ein Operationserfolg auch ohne den Eingriff erzielen lässt. Moseley teilte dazu 180 Patienten mit Kniebeschwerden in drei Gruppen ein. Eine bekam das Gelenk arthroskopisch gespült und geglättet, die zweite nur gespült, die dritte Gruppe wurde einer Scheinoperation unterzogen: Moseley ritzte ihnen die Haut dort ein, wo das Endoskop eingeführt wird, dazu kamen Spülgeräusche vom Tonband. Das Innere des Kniegelenks wurde nicht mal berührt. Weder ein noch zwei Jahre später ging es den operierten Patienten besser als jenen, die nur den Placebo-Eingriff über sich ergehen ließen.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen Wissenschaftler nach Studien an Herzpatienten in den 1950er-Jahren. Damals wurde bei Kranken mit Angina Pectoris - dem Engegefühl in der Brust bei verkalkten Herzkranzgefäßen - oft routinemäßig eine Arterie unterbunden, die an der Innenseite des Brustbeins verläuft. Angeblich wurde durch die Unterbrechung des Gefäßes mehr Blut in die verengten Adern gelenkt, was die Beschwerden lindern sollte.
An zwei amerikanischen Kliniken wurden unabhängig voneinander Scheinoperationen vorgenommen, um die Wirksamkeit der Methode zu überprüfen. Eine Gruppe der Patienten bekam nur die Haut eingeritzt, bei der anderen wurde tatsächlich auch die innere Brustarterie unterbunden. Das Ergebnis war in beiden Behandlungsgruppen gleich, wie unabhängige Wissenschaftler feststellten.
Zitat"Man muss sich fragen, was unter die Rubrik ,rituelle Chirurgie' gehört und längst abgeschafft gehört - und was Teil der normalen Lernkurve ist", sagt Günther Jonitz, Chirurg und Präsident der Berliner Ärztekammer. "Früher war ein Riss der Achillessehne ein akuter Notfall, heute weiß man, dass die konservative Behandlung genauso gute Ergebnisse bringt."
Die Wissenschaftler aus Oxford wollen mit ihrer aktuellen Untersuchung nicht die Chirurgen düpieren und ihnen vorwerfen, fahrlässig Eingriffe vorzunehmen. Vielmehr ist ihre Analyse ein Plädoyer für placebokontrollierte Studien in den operativen Disziplinen. "Das Killerargument der Chirurgen lautete immer, placebokontrollierte Studien seien ethisch nicht zu verantworten, weil man Patienten sonst notwendige Behandlungen vorenthalten würde", sagt Norbert Schmacke. "Das Gegenteil ist der Fall: Placebokontrollierte Studien erhöhen die Sicherheit für Patienten und wenden Schaden von ihnen ab." Unnötige Prozeduren bleiben Kranken dann erspart.
Höchste Zeit, dass es in Deutschland mehr solcher hochwertigen Analysen gebe, fordert Schmacke. Während Orthopäden und Unfallchirurgen von Englands Eliteuni Oxford kritisch die Folgen ihres Tuns untersuchen, sei eine derartige Studie deutscher Unikliniken schwer vorstellbar. MicMac-Chirurgie: Minimal invasive Eingriffe - mit maximalen Komplikationen
In der britischen Analyse wurden hauptsächlich neuere Verfahren untersucht, die bald in der Kritik standen oder hinterfragt wurden. "Wir haben zu bestimmten Zeiten der Ausbildung von Micmac-Chirurgie gesprochen", sagt Chirurg Jonitz. "Minimal invasiv mit maximalen Komplikationen. Da gab es zu viele Vorschusslorbeeren für viele Verfahren. Aber der Glaube an eine neue Methode ersetzt nicht das kritische Hinschauen und den seriösen Beleg der Vorteile für Patienten."
Für Jonitz stellt sich in der Medizin die Frage, wie Ärzte lernen. Durch Irrtum ist der schmerzhafteste Weg. Ideologie statt Wissen ist bequem, aber gefährlich. "Man muss sich immer wieder Rechenschaft ablegen über sein Tun und über die Ziele", sagt der Chirurg. "Das ist eine Tugend, die man erst wieder entdecken muss." Die Reaktionen aus der schneidenden Zunft sind denn auch bezeichnend: Die Kritik an der Kniespiegelung fand sich nach Moseleys Studie kaum in der Fachliteratur wieder; immerhin fassten einige Fachgesellschaften die Indikation enger und empfahlen den Eingriff nur noch bei mechanischen Problemen wie Gelenkblockaden.
Etliche Wirbelsäulenchirurgen haben die starken Nebenwirkungen, die eine Versteifung der Knochenkette mittels Zement (Vertebroplastie) mit sich bringt, hingegen nicht davon abgehalten, sie Patienten weiterhin angedeihen zu lassen. Die Befürworter dieser OP-Technik geben zwar zu, dass ihr Verfahren zu gefährlichen Komplikationen führen könne, berufen sich aber auf Beobachtungsstudien ohne Kontrollgruppe, die angeblich zeigen, dass ihre Methode nützlich sei. "Mit diesem Argument bestreiten sie den Wert placebokontrollierter Studien und vernachlässigen die Möglichkeit, dass es bei der Wirbelsäulenversteifung Placebo-Effekte geben könne", sagen die Autoren um Andrew Carr.
Für Gesundheitswissenschaftler Schmacke hat die Oxford-Studie noch andere Implikationen. "Das wirkt sich auch auf die Arzt-Patienten-Kommunikation aus und auf die Frage, wie die Teilnehmer solcher Studien eigentlich aufgeklärt werden", sagt der Arzt. "Es reicht jedenfalls nicht mehr, Patienten ein paar Zettel zur Unterschrift hinzulegen. Man muss vielmehr mit ihnen reden und erklären, was Placebos alles bewirken können - und dass auch die Chirurgie nicht allmächtig ist."
Eine weitere Nebenwirkung der Studie: Auch die Reizwörter "minimal invasiv" gehören auf den Prüfstand. Bisher sind sie nur positiv konnotiert und mit hohen Erwartungen bei Ärzten wie Patienten versehen. Jetzt zeigt sich, dass nicht jede Glasfaseroptik, die in Patienten geschoben wird, zu deren Vorteil ist und dass viele als elegant gepriesene Operationstechniken erst in hochwertigen Studien ihren Nutzen beweisen müssen, bevor sie flächendeckend zur Anwendung kommen.
"Das ist in Deutschland nicht der Fall, hier kann jede Klinik machen, was sie will", sagt Schmacke. "Vermutlich werden viele Hoffnungen der modernen Chirurgie zerschellen. Aber das ist nicht schlimm. Man muss es nur kommunizieren." Die Sicherheit der Patienten erhöht das nur. Und Ärzte sind besser vor dem Vorwurf geschützt, gefährliche Dinge mit Patienten zu tun.
Placeboeffekt bei der OP: Die Aufschneider Chirurgen greifen gern zum Skalpell. Doch ob eine Operation hält, was sie verspricht, wird viel zu selten überprüft
ZitatZu viel Experimentierfreude ist manchmal selbst Chirurgen unheimlich. Als der Kieler Gynäkologe Kurt Semm 1980 stolz berichtete, er habe einen Blinddarm ganz ohne großen Schnitt, nur durch eine paar kleine Löcher in der Bauchwand entfernt, forderte der Präsident des Chirurgenverbands dessen Rauswurf aus der Fachgesellschaft. Kollegen legten dem kühnen Mediziner nahe, die eigene Zurechnungsfähigkeit prüfen zu lassen, andere zogen bei seinen Vorträgen schlicht den Stecker. Sich bei einem Eingriff nur von einer kleinen, in den Bauchraum geschobenen Kamera leiten zu lassen und nicht offen, mit freiem Blick zu operieren - das schien vielen Chirurgen unethisch und vor allem viel zu gefährlich. Dabei sind sie auf ihrem Gebiet nicht gerade zimperlich und experimentell durchaus wagemutig, insbesondere bei unheilbaren Erkrankungen.
ZitatUnregulierter Fortschritt Kürzere Liegezeiten, weniger Schmerzen, niedrigere Komplikationsraten: Ärzte und Patienten waren aufgrund der angeblichen Erfolge begeistert. Wie ein Flächenbrand, erinnert sich Jörg Rüdiger Siewert, damals Chef-Chirurg am Münchner Klinikum rechts der Isar, habe sich das Verfahren weltweit verbreitet. Nur überprüft, ob es auch hielt, was es versprach, hatte bis dahin niemand. In der Chirurgie sei eine solche Waghalsigkeit nichts Ungewöhnliches, sagt Neugebauer: „Das gängige Prinzip ist immer noch Versuch und Irrtum. Man probiert etwas aus und gibt es an den Kollegen weiter, der testet es dann wiederum an den eigenen Patienten. Der Fortschritt geht völlig unreguliert vonstatten“, sagt der gerade erst emeritierte Direktor des Instituts für Chirurgische Forschung der Universität Witten/Herdecke. Anders als bei Medikamenten gibt es keine Institution, die darüber wacht, ob eine neue Operationsmethode sicher und sinnvoll ist.
In Merheim wollte man es 1989 deshalb anders angehen und mögliche Fehler vermeiden. Aber als Edmund Neugebauer dort die neue Gallenblasen-Operation wie geplant kritisch unter die Lupe nehmen wollte, fanden sich weder Ärzte noch Patienten, die an seinen Studien teilnehmen wollten. Die einen waren zu begeistert vom neuen Spielzeug, die anderen zu berauscht von den Versprechungen der Ärzte. „Die wollten alle nur noch das neue Verfahren“, erinnert sich der Wissenschaftler.
Endoskopie auf dem Prüfstand 1996 gelang es dem Briten Aamir Majeed schließlich, genügend Teilnehmer für eine ähnliche Studie zu finden. Er kam zu einem ernüchternden Ergebnis: Weder bei der Zahl der Liegetage noch bei der Erholungszeit nach dem Eingriff schnitt das neue Verfahren besser ab. Wie sich stattdessen bald herausstellte, hatte sich die Zahl gefährlicher Fehlschnitte in den Gallengang fast verdreifacht, seit man mittels Bauchspiegelung operierte. Auch wurden Darm und Blutgefäße häufiger verletzt.
Mit besseren Geräten, durchdachten Schnitttechniken und erfahrenen Chirurgen, so weiß man heute, lässt sich auch endoskopisch sehr erfolgreich operieren. Aber nicht immer hat die übereilte Einführung neuer chirurgischer Geräte, Implantate und Methoden ein solches Happy End.
Dafür gib es etliche Beispiele. Verstopfte Hirngefäße mit Hilfe einer anderen Arterie durch die Schädeldecke hindurch zu überbrücken beispielsweise. Zwanzig Jahre lang hatte das als „State of the Art“ in der Gefäßchirurgie gegolten. Bei der ersten Überprüfung 1985 fiel auf, dass die operierten Patienten nicht weniger, sondern mehr Schlaganfälle erlitten.
Alarmierende Studie Bis zum Jahr 2003 schoben Ärzte chronische Bauchschmerzen häufig auf sogenannte Adhäsionen, wenn die Darmschlingen im Bauchraum verklebt und verwachsen sind. Doch der niederländische Chirurg Dingeman Swank hegte Zweifel und ging diesen in einem Versuch nach. Bei seinen nächsten hundert Bauchschmerzpatienten zupfte er nur noch bei jedem Zweiten mittels Schlüssellochtechnologie die Schlingen auseinander, bei den anderen beließ er es beim bloßen Nachschauen. Nach einem Jahr klagten die tatsächlich Operierten nicht über weniger Schmerzen als die anderen Studienteilnehmer.
„Chirurgen lieben es, zu operieren. Das ist gut so, dafür sind sie Chirurg geworden“, sagt Edmund Neugebauer. „Aber es gibt zu wenige, die fordern: Wir müssen auch belegen, dass das sinnvoll ist, was wir machen.“ Wie wichtig das wäre, zeigt das alarmierende Ergebnis einer Analyse von Carol M. Ashton vom Methodist Research Institute in Houston, die es vor drei Jahren einmal genauer wissen wollte. Die Professorin untersuchte, wie es um die Wirksamkeitsbelege von neuen chirurgischen Verfahren steht. Mehr als neunzig Prozent der zwischen 1999 und 2008 erfolgten Prüfungen erfüllten nicht einmal die Mindestqualitätsanforderungen, um überhaupt in ihre Studie aufgenommen zu werden.
Und zu den Tests, die nicht gänzlich durchgefallen waren, fehlten mindestens bei einem Drittel entscheidende Informationen, wie etwa Angaben zur Finanzierung oder Methoden der Auswertung. Wie sich zudem zeigte, sind in der Chirurgie auch die in anderen Fachgebieten üblichen Vorgehensweisen selten. Dazu gehört etwa, dass ausgelost wird, welcher Behandlungsgruppe ein Patient angehört. Oder dass eine Verblindung stattfindet, damit weder Patient noch Arzt erkennen, welche der zu vergleichenden Therapien zur Anwendung kommt. Vorgetäuschte Eingriffe
Im Operationssaal schreitet der Fortschritt meist nach wie vor so voran, wie es Rüdiger Siewert, heute leitender Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik Freiburg, in seiner früheren Karriere erlebt hat: „Man hat eine Idee, probiert das mal aus und zeigt im Tierversuch, dass das Verfahren prinzipiell funktioniert.“ Nach Jahren des Übens an Schwein oder Hund wird dann der erste Patient gesucht, der sich auf die neue Methode einlässt. Kann der Chirurg nach zehn, zwanzig Operierten in einer ersten Fallstudie zeigen, dass das eigene Verfahren nicht schlechter abschneidet als die Konkurrenzmethode, wie sie in der Literatur beschrieben ist, gilt der Erfolg als belegt. Und die neue Technik wird selbstbewusst auf der nächsten Konferenz vorgestellt.
Werden derart gewonnene Erkenntnisse auf den Prüfstand gestellt, sind allerdings böse Überraschungen möglich. Die erlebte beispielsweise vor dreizehn Jahren der amerikanische Orthopäde Bruce Moseley. Nützt es einem Patienten mit Gelenkverschleiß wirklich, hatte er sich gefragt, wenn ein Arzt mit seinem Arthroskop den kaputten Knorpel und brüchige Menisken im Knie etwas zurechtputzt? Wenn man doch ohnehin nichts reparieren kann? Moseley stellte die gängige Praxis seiner Kollegen auf die Probe. Jedem dritten Patienten täuschte der Arzt die Schlüssellochchirurgie nur vor; verschüttetes Wasser sorgte für eine passende Geräuschkulisse, kleine Schnitte in der Haut simulierten Operationswunden. Zwei Jahre später ging es allen Patienten gleich, ob sie nun tatsächlich operiert wurden oder nur vorgeblich.
Oft hilft allein der Glaube Insgesamt 53 - im erweiterten Sinne - chirurgische Verfahren hat Andrew Carr von der Universität Oxford ausgemacht, die sich bisher einem streng kontrollierten Vergleich mit einer Scheinbehandlung aussetzen mussten. Aber nur in jeder zweiten Studie erwies sich der Eingriff als überlegen, berichtete Carr im vergangenen Jahr im „British Medical Journal“. Meist ging es auch den Scheinoperierten stets deutlich besser. Das lässt den britischen Orthopäden annehmen, dass viele Operationen an sich schon einen Placebo-Effekt ausüben.
„Die suggestive Wirkung von Chirurg und Hautschnitt ist gewaltig“, kann Rüdiger Siewert aus eigener Erfahrung bestätigen. Die Chirurgie bringt alles mit, was Studien zufolge nötig ist, den Patienten so stark an seine Heilung glauben zu lassen, dass allein das schon eine Besserung bewirkt: aufwendige Rituale, eine komplizierte Technik und einschneidende Maßnahmen. Und je euphorischer sich der Chirurg gibt, desto größer ist dieser Effekt.
Scheinoperationen können allerdings noch andere Probleme aufwerfen. Zum Beispiel, wenn es in der Neurochirurgie um unheilbar an Parkinson Erkrankte geht. Im Jahr 2001 narkotisierten amerikanische Chirurgen für eine Testreihe 36 Patienten, bohrten ihnen die Schädeldecke an und verabreichten der Hälfte von ihnen eine Dosis fetaler Stammzellen. Die derart Behandelten profitierten nicht davon, sie litten sogar unter mehr Nebenwirkungen als die Patienten der Kontrollgruppe, die kein fremdes Zellmaterial erhalten hatten.
Umstrittene Placebo-OP Ist ein solcher Versuch ethisch vertretbar? Nein, meinen viele Chirurgen, die deshalb die Durchführung von Placebo-Studien in ihrem Fachgebiet gleich ganz in Frage stellen. Markus Diener vom Studienzentrum der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie in Heidelberg ist allerdings dezidiert anderer Ansicht: „Wenn der Patient sein Einverständnis gegeben hat und wenn ein Schaden für ihn weitestgehend ausgeschlossen ist, halte ich auch in der operativen Medizin placebokontrollierte Studien für machbar.“
Ob nun Arthroskopie, Adhäsiolyse oder Rückenoperation: häufig stellt sich die Frage, ob eine Operation überhaupt in der Lage ist, dem Patienten zu helfen, oder ob nur angenommen wird, dass sie es tut. In einem solchen Fall, sagt Diener, sei eine Placebountersuchung die ideale Versuchsanordnung. Stehe hingegen außer Frage, dass ein chirurgischer Eingriff die beste Hilfe bietet, wenn zum Beispiel der Blinddarm entzündet ist, müsse sich ein neues Verfahren nicht dem Vergleich mit dem Placebo stellen, sondern dem mit der etablierten Methode. Allerdings fehle es vielen Ärzten an Geld, Zeit und Karriereanreizen, um sich in der Forschung zu engagieren, sagt der Heidelberger. Mehr Forschungsförderung, bessere Ausbildungspläne, zusätzliche chirurgische Studienzentren - die Wunschliste an Staat und Fachgesellschaft ist lang.
Jedenfalls sollte als Anspruch nicht genügen, dass der Patient selbst darüber entscheidet, was das Beste für ihn sei. Von den placebobehandelten Parkinsonpatienten ließen sich die meisten aus reiner Verzweiflung später doch noch fremde Stammzellen ins Gehirn spritzen.
Stents: Pseudo-Operation am Herzen Nirgendwo werden so viele Gefäßstützen in die Herzen eingepflanzt wie in Deutschland. Doch die OP hilft bei manchen Patienten nicht besser als ein Placebo-Eingriff.
ZitatGlaube versetzt nicht nur Berge, sondern hält auch die Herzkranzgefäße elastisch. Anders lässt sich die Wirkung kaum erklären, die mit einer Scheinbehandlung verengter Koronararterien erzielt werden kann. Ärzte vom Imperial College in London berichten im aktuellen Fachmagazin Lancet davon, auch wenn in der Medizin statt von Glauben lieber vom Placebo-Effekt gesprochen wird - oder von einer positiven Erwartungshaltung, die Patienten schneller gesunden und ihr Leiden besser ertragen lässt.
Ein Team um die Kardiologin Rasha Al-Lamee hat 200 Patienten mit Angina Pectoris behandelt. Die "Brustenge" war bereits so weit fortgeschritten, dass die Stenose der verkalkten Kranzgefäße mehr als 70 Prozent betrug, die Adern aber noch nicht komplett verstopft waren. Der Hälfte der Herzpatienten wurde ein Stent in das eingeengte Gefäß gelegt. Die andere Hälfte wurde zwar auch für mindestens 15 Minuten sediert und bekam einen Katheter in die Leistenarterie eingeführt - dieser wurde jedoch nach einiger Zeit wieder gezogen, ohne dass ein Drahtröhrchen in den Koronarien verankert wurde. Zu welcher der beiden Gruppen sie gehörten und ob sie einen Stent bekommen hatten oder nicht, wussten die Probanden ebenso wenig wie die Ärzte und Pfleger, die die Patienten anschließend betreuten.
Nirgendwo werden so viele Stents eingesetzt wie in Deutschland Die Engstelle wurde durch den Stent erweitert und von innen offengehalten, dennoch ging der Nutzen der drahtigen Gefäßstütze kaum über jenen der Placebo-Behandlung hinaus. Zwar konnten die mit einem Stent versorgten Patienten ein paar Wochen später etwas länger ihr Herz belasten, ohne Beschwerden zu bekommen, doch der Unterschied zu den Teilnehmern ohne Stent fiel vergleichsweise gering und daher statistisch nicht signifikant aus.
"Obwohl Stents den Blutfluss erleichtern können, führen sie bei stabiler Angina Pectoris überraschenderweise nicht zu einer zusätzlichen Verbesserung der Symptome", sagt Al-Lamee. "Das heißt allerdings nicht, dass nicht doch manche Patienten von dem Eingriff profitieren, besonders wenn ihre Gefäße vollständig blockiert sind." Es sei aber ein gedanklicher Kurzschluss, von der Erweiterung einer zuvor verengten Koronararterie automatisch darauf zu schließen, dass die Patienten anschließend weniger Beschwerden hätten.
"Diese Ergebnisse liefern gute Argumente dafür, es bei stabiler Angina Pectoris erst mal medikamentös zu versuchen", sagt Andreas van de Loo, Chef der Kardiologie am Marienkrankenhaus in Hamburg. "Das ließ sich aus früheren Studien wie Courage schon ableiten und wird auch in den Leitlinien so empfohlen." Doch viele Ärzte halten sich nicht daran, schließlich kann sich Deutschland mit dem fragwürdigen Titel des Weltmeisters der Herzkatheter-Eingriffe schmücken. Nirgendwo sonst werden im Verhältnis zur Bevölkerung so viele Kranzarterien geweitet und mit Drahtgeflechten gestützt - ohne dass die Menschen deshalb länger von einem Infarkt oder anderen kardialen Komplikationen verschont bleiben als in anderen Ländern mit guter medizinischer Versorgung.
Womöglich spielt auch der vermeintliche oder tatsächliche Patientenwunsch eine Rolle für die Überversorgung. "Wenn die Leute hören, dass sie eine 70-prozentige Stenose haben, wollen sie die doch geöffnet haben", ist van de Loo überzeugt. "Sonst rennen sie zum nächsten Kardiologen." Dabei ist der Stent-Eingriff alles andere als harmlos. Zwar ist der Zugang minimal invasiv, doch Patienten müssen anschließend sechs bis zwölf Monate Medikamente zur Blutverdünnung einnehmen, deshalb steigt - gerade bei älteren Menschen - ihr Blutungsrisiko und Hirnblutungen können häufiger auftreten.
Placebo-Injektionen helfen umso besser, je größer die Spritze ist Mehr als 500 000 Aufdehnungen der Herzkranzgefäße werden jedes Jahr weltweit zur Behandlung einer stabilen Angina Pectoris vorgenommen. Dafür wurde der Eingriff mit dem Katheter ursprünglich entwickelt; Patienten sollten ihre Beschwerden genommen werden. Gründliche Analysen wie die Courage-Studie und die jetzige Untersuchung haben in jüngster Zeit jedoch gezeigt, dass der Nutzen des Eingriffs nur begrenzt ist. Von nicht "verblindeten" Studien, in denen die Probanden wussten, ob sie einen Stent bekamen oder nicht, wurde hingegen immer wieder berichtet, dass die Gefäßstütze Beschwerden linderte und die Lebensqualität verbesserte. Das zeigt, mit welcher Macht subjektive Erwartungen die Genesung beeinflussen: "Patienten werden den tatsächlichen Eingriff für vorteilhafter halten und besser bewerten", sagt Al-Lamee. "Die Auswirkung der Gefäß-Aufdehnung wird überschätzt und der Scheineingriff wie eine unterlassene Behandlung gedeutet."
Die Medizin kennt zwar erstaunliche Placebo-Effekte in allen Fachgebieten, vernachlässigt aber oft, wie wirksam die Scheinbehandlung sein kann: Placebos in Tablettenform können Schmerzen um 30 bis 40 Prozent verringern. Placebo-Injektionen helfen umso besser, je größer die Spritze ist und je tiefer sie eindringt. Sogar Schein-Operationen wirken, auch wenn Chirurgen oftmals bestreiten, dass sich Eingriffe im Placebo-Vergleich überhaupt testen lassen.
Dabei haben Orthopäden schon 2002 gezeigt, dass die tatsächliche Knie-Spiegelung nicht mehr Linderung verschafft als eine Schein-Intervention am Gelenk und dass auch Rücken-Operationen häufig nur via Placebo-Effekt Schmerzen lindern. 2014 zeigte eine große Analyse, dass von mehr als 50 Interventionen - die meisten davon waren endoskopische Eingriffe - nur die Hälfte besser wirken als die konservative Behandlung.
Der Chirurg und langjährige Präsident der Berliner Ärztekammer, Günther Jonitz, hat schon vor Jahren vor "ritueller Chirurgie" und "MicMac-Operationen" gewarnt - das sind minimal invasive Eingriffe mit maximalen Komplikationen, die nur noch aus überkommener Tradition und fehlender Einsicht vorgenommen werden, aber nicht zum Wohle der Patienten. Die aktuelle Untersuchung aus London weist darauf hin, dass auch die Koronarangiografie mit Stent-Einlage einen Großteil ihrer Wirkung aus dem Placebo-Effekt beziehen könnte und auf den Prüfstand gehört. "Mein Denken beeinflusst die englische Studie schon", sagt Kardiologe van de Loo. "Nach einem Stent-Eingriff will man das als Arzt ja auch so wahrnehmen, dass die Patienten zufriedener sind und einen anstrahlen."
Nicht besser als Placebo Viele Schulter-OPs sind laut neuer Studie überflüssig Laut einer Placebo-kontrollierten Studie könnten Patienten mit Schulterengesyndrom zukünftig deutlich seltener unters Messer kommen: Die Operation ist offenbar nicht besser als ein Scheineingriff. Doch die neuen Daten wurden mit einer ethisch heiklen Methodik erhoben.
ZitatWenn es in der Schulter schmerzt, kommen manche Patienten bislang auf den OP-Tisch: Ist der Raum zwischen dem Schultergelenk und dem darüber liegenden Knochenfortsatz am Schulterblatt zu eng, nehmen Ärzte teils einen minimalinvasiven Eingriff vor. Bei dieser Schulterblatt-Erweiterung, auch „Dekompression“ genannt, tragen sie etwas Knochenmaterial oder Gewebe ab. So wollen sie Raum schaffen und den Druck, beispielsweise auf Sehnen, nehmen, um Schmerzen zu lindern. Doch wie britische Wissenschaftler nun im Fachmagazin „Lancet“ schreiben, könnte womöglich auf viele der Eingriffe verzichtet werden.
Für ihre Studie untersuchten sie, ob die Operation zu einer stärkeren Schmerzminderung führt als ein Scheineingriff. Denn es ist schon lange bekannt, dass nicht nur bei Arzneimitteln die Erwartung des Patienten auf eine Verbesserung hilfreich ist: Auch wenn ein Patient zwar unters Messer kommt, aber der eigentliche Eingriff nicht durchgeführt wird, bewirkt der Placebo-Effekt oft Erstaunliches.
Kontrollgruppe mit Scheineingriff Um dies für Schulterdach-Erweiterungen zu untersuchen, unterzogen sie je rund 100 Patienten entweder der Operation oder einem Scheineingriff ohne Abtragung von Knochenmaterial. Weitere 100 Patienten wurden nicht operiert, sondern dienten als zusätzliche Kontrollgruppe.
Hierbei fanden die Forscher, dass sich statistisch kein Unterschied zwischen Operation oder Placebo-Eingriff feststellen ließ. Sechs und zwölf Monate nach Studienstart gaben Patienten aus beiden Gruppen nur unbedeutend größere Verbesserungen an als die unbehandelten Probanden, bei denen die Schmerzen durch spontane Heileffekte gleichfalls etwas zurückgingen.
„Die Ergebnisse unserer Studie deuten an, dass Operationen keinen klinisch bedeutenden Vorteil gegenüber dem Verzicht auf eine Behandlung bieten, und dass die Schulterblatt-Erweiterung nicht besser ist als ein Placebo-Eingriff“, erklärt Studienautor Andrew Carr.
Operationen bei Knieschmerzen: 75 Prozent der OPs sind unnötig!
ZitatIn keinem anderen Land werden so viele Knieoperationen durchgeführt wie in Deutschland. Dabei halten Experten drei von vier Operationen für völlig unnötig. Wie kommt es, dass viele Ärzte trotzdem so häufig zum Skalpell greifen? Und wie können die Schmerzen am Knie sinnvoll behandelt werden?
„Ab in den OP, egal ob es nötig ist!“ „Ab in den OP, egal ob es nötig ist“, so titelte die große deutsche Wochenzeitung DIE ZEIT aufsehenerregend im September 2014.1) Was war passiert? Die Bertelsmann-Stiftung hatte eine bedeutende Studie zu Knieoperationen in Deutschland veröffentlicht, die für großes Aufsehen sorgte. Aus ihr ging hervor, dass in keinem anderen Land so häufig Knieoperationen durchgeführt werden wie in Deutschland.
Allein zwischen 2005 und 2011 stieg die Zahl der Implantationen um 15 Prozent.2) Sind Deutsche also besonders anfällig für Knie-Schäden? Natürlich nicht, aber viele Ärzte raten ihren Patienten zu häufig zu Operationen, die eigentlich keinen Nutzen bringen. Der angesehene Kniespezialist Prof. Dr. med. Hans Pässler hat dazu eine klare Meinung: Durchschnittlich sind drei von vier empfohlenen Operationen überhaupt nicht nötig – also satte 75 Prozent!3)
Teure Kniespiegelungen bringen keinen Vorteil Kniespiegelungen (Athroskopie) mit therapeutischen Maßnahmen gehören beispielsweise zu den häufigsten chirurgischen Eingriffen bei Knieschmerzen und Arthrose: Dabei wird ein dünnes Rohr mit einer kleinen Kamera durch einen Hautschnitt am Knie eingeführt, um Gelenk und Knorpel zu untersuchen. Mit weiteren Werkzeugen kann direkt eine Behandlung von Schäden am Kniegelenk vorgenommen werden. Eine bekannte Studie von Bruce Moseley zeigt jedoch, dass dieser Eingriff keine Vorteile für die Schmerz-Behandlung bringt!4) In der Studie bekamen einige Patienten mit Kniearthrose eine Gelenkspiegelung, während dies anderen Patienten nur vorgetäuscht wurde (Placebo-Gruppe). Eigentlich hätten die Patienten, die tatsächlich eine Gelenksspiegelung mit therapeutischem Eingriff bekommen hatten, anschließend weniger Schmerzen haben müssen als die Placebo-Gruppe. Doch zum Erstaunen der Versuchsleiter konnte kein Unterschied zwischen den Gruppen festgestellt werden. Weitere Studien stützen die Ergebnisse von Moseley und zeigen, dass Kniespiegelungen auch diagnostisch keinen Vorteil für die Behandlung der Probleme gegenüber Therapien ohne OP bringen.)
Bluthochdruck Renale Denervation in Studie ohne Wirkung Die erste placebokontrollierte Studie zum Nutzen der renalen Denervation bei therapieresistenter Hypertonie ist negativ ausgefallen.
ZitatDie Untersuchung erreichte ihren primären Wirksamkeitsendpunkt nicht, wie das Unternehmen Medtronic mitteilt, Hersteller des für renale Denervationen entwickelten Kathetersystems Simplicity. Der Sicherheitsendpunkt wurde allerdings erreicht.
In einer aktuellen Studie konnte eine renale Denervation den Blutdruck nicht effektiv senken.
In der Simplicity-HTN-3-Studie wurden 535 Patienten mit therapieresistenter arterieller Hypertonie auf zwei Behandlungsgruppen randomisiert: Zwei Drittel der Patienten unterzogen sich einer renalen Denervation. Das bedeutet, dass bei ihnen Nervenfasern des sympathischen Nervensystems um die Nierenarterie verödet wurden, was den Blutdruck senken soll. Ein Drittel der Patienten erhielt eine Schein-Behandlung, bei der ein Katheter kurzfristig appliziert wurde, aber keine Verödung stattfand. Beide Gruppen erhielten weiterhin ihre gewohnte medikamentöse Therapie.
Als primärer Wirksamkeitsendpunkt galt ein Unterschied des in der Arztpraxis gemessenen systolischen Blutdrucks von 15 mmHg in der Verumgruppe gegenüber der Placebogruppe sechs Monate nach dem Eingriff. Dieser wurde nicht erreicht. Es zeigten sich aber auch keine Unterschiede bezüglich der Sicherheit in den beiden Gruppen, heißt es in der Mitteilung weiter. Genauere Daten teilt Medtronic nicht mit. Eine erste Auswertung der Studie soll demnächst auf einer wissenschaftlichen Konferenz detailliert vorgestellt werden.
Dieses Ergebnis kommt überraschend, da in den beiden Vorgängerstudien Simplicity-HTN-2 und -HTN-1 der systolische Blutdruck zum Teil um etwa 30 mmHg gesenkt werden konnte (lesen Sie dazu auch Renale Denervation: Hypertonie einfach wegoperieren?). Medtronic kündigte an, das weitere Vorgehen mit Beratern zu besprechen. Vorerst wurde die Rekrutierung von Patienten für die Nachfolgestudie Simplicity-HTN-4 gestoppt.
Demenz nach Operation Verloren in der Vollnarkose "Nach der Operation war Vati nicht mehr der Alte." - so berichten es viele Angehörige. Der Vater, die Mutter, kannnicht mehr das, was sie vor der Operation noch konnte, und baut geistig völlig ab. Kann eine Demenz oder Alzheimer durch Operationen hervorgerufen werden? Fortschrittliche Krankenhäuser versuchen, Patienten und ihren Angehörigen diese schlimme Komplikation zu ersparen.
ZitatBis ins hohe Alter hatte Lisbeth Krause allein gelebt. Dann brach sie sich die Schulter und musste ins Krankenhaus. Nach der mehrstündigen Operation war sie nicht mehr die Alte. Ihre Tochter Ingrid Passade berichtet, dass sie nicht mal mehr ein paar Kreuze auf einem Essenszettel machen konnte. Und sie verstand selbst nicht, was mit ihrem Kopf los war. Die Schulter verheilt schnell – aber geistig erholt sich die 87-Jährige nicht. Sie verlegt Dinge und verwechselt schließlich sogar ihre Medikamente. Nach einem Kreislaufzusammenbruch wurde dann klar, dass sie nicht mehr alleine zurechtkommen würde.
Nachsorge fehlt Wie häufig sind solche Schicksale? Keiner weiß es, denn nur wenige Ärztinnen und Ärzte überprüfen, in welchem geistigen Zustand Menschen ihr Krankenhaus verlassen. Der Narkosearzt Ulf Günther von der Universitätsklinik Bonn ist hier eine Ausnahme. Er hat die kognitiven Einschränkungen von Patienten und Patientinnen untersucht, sechs Monate nach ihrer Herz-Operation, und festgestellt, dass 30 bis 40 Prozent der über 60-Jährigen eine vorübergehende Einschränkung ihrer geistigen Leistungsfähigkeit haben.
Betroffene bemerken dann, dass sie sich Dinge nicht mehr merken können, nach Wörtern suchen. Es fällt ihnen schwer, ihren Alltag zu organisieren. Es kann Monate dauern, bis sich das Gehirn wieder erholt. Und bei manchen Patientinnen und Patienten erholt es sich nie wieder. Das betrifft besonders jene im hohen Alter sowie jene, die bereits vor der Operation von geistigen Einschränkungen betroffen sind. Günther erwähnt zudem den tragischen Punkt, dass den Angehörigen oft gar nicht bewusst ist, dass es sich um eine beginnende Demenz handelt.
Narkose und Operation: Erhöhen sie das Demenzrisiko?
ZitatNach einer großen epidemiologischen Studie haben ältere Patienten, die wegen eines chirurgischen Eingriffs eine Narkose erhalten haben, ein signifikant erhöhtes Risiko, eine Demenz zu entwickeln [1]. Die Ergebnisse wurden im Juli 2013 in der Zeitschrift British Journal of Psychiatry veröffentlicht.
Forscher am Taipei Veterans General Hospital in Taiwan haben dabei festgestellt, dass Patienten im Alter von über 50 Jahren, die sich erstmalig einer Narkose unterzogen hatten, ein doppelt so hohes Demenzrisiko – hauptsächlich vom Alzheimer-Typ – hatten wie Menschen ohne eine Narkose in der Anamnese.
„Die Ergebnisse unserer landesweiten populationsbasierenden Studie weisen darauf hin, dass Patienten, die im Zusammenhang mit einem operativen Eingriff narkotisiert worden sind, einem erhöhten Demenzrisiko unterliegen. Im klinischen Umfeld sind Narkose und OP untrennbar miteinander verbunden. Aus diesem Grund ist es schwer zu unterscheiden, ob das beobachtete erhöhte Demenzrisiko der Narkosebehandlung per se, dem chirurgischen Eingriff oder beidem zusammen zuzuschreiben ist“, erklärt Hauptprüfer Dr. Jong-Ling Fuh.
Zwar gelten Narkosemittel grundsätzlich als sicher, doch häufen sich Bedenken, diese Mittel könnten zu neurodegenerativen Komplikationen führen. So weisen die Studienautoren darauf hin, dass Studien unter anderem mit bildgebenden Verfahren gezeigt haben, dass „Inhalationsnarkotika etwa Amyloid-ß-Peptid (Aß)-Peptid-Oligomerisierungen fördern und somit eine Amyloid-ß-Peptid-induzierte Neurotoxizität begünstigen können“.
Auch Kalziumdysregulation sein ein Mechanismus, der narkoseinduzierte Neurotoxizität auslösen könne.
Demenzrisiko steigt auf knapp das Doppelte Die Wissenschaftler stellten fest, dass postoperative Verwirrung und kognitive Ausfälle grundsätzlich vorübergehend seien. Eine normale Kognition stelle sich in der Regel innerhalb von wenigen Tagen wieder ein. In einigen Fällen jedoch können die Symptome mehrere Wochen anhalten.
Unter Nutzung der Taiwan National Health Insurance Research-Datenbank untersuchten die Wissenschaftler retrospektiv, ob das Demenzrisiko nach einem operationsbedingten Narkosemitteleinsatz zunahm. Sie betrachteten ebenso mögliche Zusammenhänge zwischen Demenzrisiko und Alter, Art der Narkose sowie des operativen Eingriffs.
Die Studienkohorte umfasste 24.901 Patienten ab einem Alter von 50 Jahren, die erstmals seit 1995 zwischen dem 1. Januar 2004 und 31. Dezember 2007 eine Narkose erhalten hatten. Als Kontrollgruppe galten 110.972 nach dem Zufallsprinzip ausgesuchte Patienten, die hinsichtlich Alter und Geschlecht vergleichbar waren. Sämtliche Teilnehmer wurden bis zum 31. Dezember 2010 nachbeobachtet, um die Manifestation einer Demenzerkrankung feststellen zu können.
Während der 2- bis 7-jährigen Nachbeobachtungszeit wurde bei 661 der 24.901 Narkosepatienten (2,65%) und bei 1.530 der 110.972 Kontrollpatienten (1.39%) eine Demenz diagnostiziert, was einer Erhöhung des Demenzrisikos in der Narkose/OP-Gruppe auf etwa das Doppelte entspricht (Hazard Ratio: 1,99; 95% Konfidenzintervall: 1,81-2,17).
„Narkose- und Operationstechniken haben der Menschheit zweifellos einen unermesslichen gesundheitlichen wie gesellschaftlichen Dienst erwiesen. Allerdings weisen die Beobachtungen im Rahmen unserer Untersuchungen darauf hin, dass weitere Studien notwendig sind, um den Zusammenhang und die Kausalitäten zwischen Narkose/Operation und Demenz besser aufzuklären“, meint Studienautor Fuh.
Demenzrisiko: Vollnarkose schadet offenbar doch Ergebnisse einer neuen Studie, die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechen, stehen im Widerspruch zu Resultaten einer früheren Studie
ZitatOperationen unter Vollnarkose sind für ältere Menschen oft mit einer Nebenwirkung verbunden: Sie leiden vorübergehend unter Gedächtnisstörungen. Schwerwiegender ist aber die Furcht vor Langzeitschäden. Denn einige Narkosemittel können Entzündungsreaktionen im Gehirn auslösen und Ablagerungen verursachen, die für die Alzheimer-Demenz typisch sind. Eine kürzlich veröffentlichte Studie hatte jedoch keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Narkose und Demenzrisiko geliefert. Dagegen berichten jetzt französische Forscher auf der Jahrestagung der European Society of Anaesthesiology in Barcelona, dass für über 65-Jährige das Demenzrisiko schon nach nur einer Vollnarkose deutlich steigt. Unterschiede in Konzeption der Studien und Alter der Probanden könnten für die widersprüchlichen Ergebnisse verantwortlich sein.
„Für ältere Menschen, bei denen nach einer Operation kognitive Störungen auftreten, sollten über einen längeren Zeitraum Kontrolluntersuchungen eingeplant werden“, sagte Francois Sztark von der Université Bordeaux Segalen. An seiner prospektiven Studie nahmen etwa 7.000 Menschen im Alter von über 65 Jahren teil, die noch keine Anzeichen einer Demenz zeigten. Im Abstand von zwei bis drei Jahren führten die Forscher Gedächtnistests durch. Außerdem gaben die Teilnehmer dann jeweils an, ob sie seit dem letzten Test unter Vollnarkose oder örtlicher Betäubung behandelt worden waren. Innerhalb von acht Jahren erkrankten 632 Personen an einer Demenz; in 284 Fällen handelte es sich dabei wahrscheinlich um die Alzheimer-Krankheit. Die statistische Auswertung ergab: Das Demenzrisiko erhöht sich nach mindestens einer Vollnarkose um 35 Prozent. Andere Einflussfaktoren wie sonstige Krankheiten und Bildungsstand wurden berücksichtigt.
ZitatEine möglicherweise irreversible Wirkung von Anästhetika auf Rezeptoren im Hippocampus könnte die bei einigen Patienten länger anhaltenden Gedächtnisstörungen nach Narkosen erklären, wie eine Reihe von Experimenten im Journal of Clinical Investigation (2014; doi: 10.1172/JCI76669) zeigt.
Weltweit werden jedes Jahr mehr als 234 Millionen chirurgische Eingriffe durchgeführt. Die meisten Patienten erholen sich rasch von der Narkose, doch postoperative kognitive Dysfunktionen (POCD) sind keineswegs selten. In einer Studie wurden sie bei 37 Prozent der jungen Erwachsenen und 41 Prozent der älteren Patienten bei der Entlassung diagnostiziert und drei Monate später wiesen noch 6 Prozent der jungen Erwachsenen und 13 Prozent der älteren Patienten kognitive Einschränkungen auf (Anesthesiology 2008; 108: 18-30). Ob die Störungen durch die Anästhetika oder den chirurgischen Eingriff hervorgerufen werden, ist unklar. Eine Korrelation der POCD mit der Dauer der Narkose legt jedoch einen Einfluss der Narkosemittel nahe.
Als Wirkmechanismus wird eine „positive Modulation“ der Rezeptoren von GABA-Typ-A-Rezeptoren im Hippocampus vermutet, der Gedächtniszentrale des Gehirns. Die GABA-Typ-A-Rezeptoren haben eine inhibitorische Wirkung. Ihre Verstärkung hat in der Narkose eine akute Gedächtnisblockade zur Folge. Sie ist mit dafür verantwortlich, dass die Patienten sich nach der Narkose nicht an die Operation erinnern können, was ein erwünschter Effekt ist.
Unerwünscht wäre allerdings, wenn die „positive Modulation“ über das Ende der Narkose anhält. Genau dies scheint aber der Fall zu sein, wie die Experimente zeigen, die ein Team um Beverley Orser an Mäusen durchgeführt hat. Die Tiere wurden mit Etomidat narkotisiert. Es wird von Anästhesisten bevorzugt bei älteren Patienten eingesetzt, da es ein günstiges kardiales Nebenwirkungsprofil aufweist. Die Mäuse zeigten 24 und 72 Stunden nach der Narkose noch Gedächtnisstörungen, von denen sie sich eine Woche später erholt hatten. Eine Narkose mit Dexmedetomidin, das seine hypnotische Wirkung nicht über GABA-Typ-A-Rezeptoren, sondern über alpha2-adrenerge Rezeptoren erzielt, löst dagegen keine POCD bei den Tieren aus.
Warum ältere Menschen nach Operationen oft geistig abbauen Nach schweren Erkrankungen sind viele Patienten verwirrt, apathisch oder aggressiv. Dabei kann das Gehirn Schaden nehmen. https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/m...emenz-1.4967027
Interessant auch der erwähnte Zusammenhang mit Ateriosklerose im Hirn (polnische Quelle), wo wir - zumindest die noch nicht allzu alten unter uns - wieder beim Thema Basics/Blutdruck wären (der die Entstehung von Ateriosklerose beeinflussen kann).
Anscheinend gibt es auch einen Zusammenhang zwischen mindenstens einem Narkosemittel und "Verklumpung" sowie Alzheimer:
Man sollte Substanzen mit Fluor, in Mitteln die im Gehirn wirken, vermeiden! Allerdings ist das nur eine Vermutung von mir. Zahncreme nehme ich einmal am Tag mit Fluor, weil ich bin mit da nicht sicher. Fluorsalz habe ich durch das Salz der Spülmaschine ersetzt, weil im Supermarkt bekommt man ja nichts anderes mehr.
Kleinkinder Vollnarkose verschlechtert dauerhaft das Gedächtnis Die Erinnerungsfähigkeit von Kindern, die früh im Leben eine Vollnarkose bekommen, ist lebenslang um bis zu 25 Prozent reduziert. Die Narkosemittel beeinflussen die Kommunikation der Nervenzellen.
ZitatNarkosemittel verschlechtern Gedächtnis- und Lernprozesse dauerhaft. Genau das ist auch das Resultat der Studie von Forschern um Greg Stratmann von der University of California San Francisco, die jetzt eine neue Studie im Fachmagazin „Neuropsychopharmacology“ veröffentlicht haben. Mit einem Unterschied: Ihnen gelang der Nachweis, dass Narkosemittel die Gedächtnisentwicklung dauerhaft stören, bei Kindern.
Die Wissenschaftler untersuchten 28 Kinder im Alter zwischen sechs und elf Jahren, die vor ihrem zweiten Lebensjahr eine Vollnarkose bekommen hatten, und verglichen sie über einen Zeitraum von zehn Monaten wiederholt mit Kindern, die keine Vollnarkose bekommen hatten. Dazu suchten sie zu jedem Kind mit Vollnarkose ein Kind ohne Vollnarkose, das ihm so ähnlich wie möglich war: Alter und Geschlecht war gleich, ebenso der Intelligenzquotient und bestimmte charakteristische Züge im Verhalten, wie Schüchternheit oder Impulsivität. Bei allen Kindern führten die Forscher mehrmals Gedächtnistests durch und schätzten aus ihrer Leistung, wie sich ihre Gedächtnisleistung bis zum Erwachsenenalter hin weiterentwickeln würde. Das Ergebnis: Die Gedächtnisleistung der Kinder, die im Alter bis zu zwei Jahren eine Vollnarkose bekommen hatten, war prognostiziert über die gesamte Lebenszeit um etwa 25 Prozent reduziert.
Länge der Operation ist entscheidend Jungen waren dafür etwas anfälliger als Mädchen – ein Fund, den es auch in den Tierstudien bereits gab. Für die Ergebnisse war nicht wichtig, wie viele Vollnarkosen jemand bereits bekommen hatte. Wer nur einmal operiert worden war, dem erging es demnach nicht besser als jenen, die mehrmals operiert worden waren. Einen Einfluss darauf, wie sehr das Gedächtnis litt, hatte aber die Länge einer Operation: Je länger sie dauerte, desto stärker waren die Gedächtniseinbußen.
POCD: What is it and Do the Anesthetics Play a Role
ZitatWas sind die Risiken und Nebenwirkungen einer Anästhesie? Viele Narkoserisiken hängen von dem gewählten Anästhesieverfahren ab. Bei der Vollnarkose kann es durch die Platzierung des Beatmungsschlauches zu Heiserkeit und Halsschmerzen sowie Zahn- und Stimmbandschäden kommen. Der Verlust der Schutzreflexe durch die Narkosemedikamente birgt die Gefahr, dass der Patient Mageninhalt einatmet (Aspiration). Das kann zu einer Lungenentzündung führen. Häufigere, aber weniger schwere Nebenwirkungen einer Narkose sind Übelkeit und Erbrechen.
Erfolgt eine Regionalanästhesie, besteht das Risiko für Verletzungen von Nerven oder Gefäßen durch die Punktionsnadel, durch Blutergüsse oder durch Entzündungen an der Einstichstelle. Besonders schwerwiegend kann das im Bereich des Rückenmarkes sein.
Andere Narkoserisiken sind vor allem vom Gesundheitszustand des Patienten abhängig. Dazu gehören zum Beispiel schwere Herz-Kreislauf- oder Beatmungsprobleme. Bei gesunden Menschen oder bei Patienten mit leichten Vorerkrankungen sind diese Komplikationen selten. Besteht jedoch ein schweres Grundleiden beispielsweise von Herz und Lunge oder eine Zuckerkrankheit, so steigt auch das Risiko für Narkoseprobleme.
Anästhesieverfahren Das solltest du über die Narkose wissen Narkosemittel stören elektrische Signale im Gehirn: Wir verlieren unser Bewusstsein. Der Eingriff birgt Risiken, schwere Komplikationen sind jedoch extrem selten. https://www.quarks.de/gesundheit/medizin...narkose-wissen/