Meine Bakterien und ich Der Mensch als Metaorganismus Ein Körper mit seinen Organen, scharf abgegrenzt von der Umwelt, in der er überleben muss. So stellt man sich einen Organismus vor. Doch diese Grundannahme ist überholt: Organismen pflegen rege Beziehungen zu ganzen Heerscharen von Mikroben. Ohne Mikroben sind auch wir nichts. https://www.deutschlandfunk.de/meine-bak...ticle_id=436989
Alterskrankheiten Verjüngungskur mit Bakterien Im Alter leiden viele Menschen an Alzheimer oder rheumatischer Arthritis. Auch Diabetes wird durch eine Insulinresistenz begünstigt. US-Forscher haben jetzt in Versuchen mit Mäusen und Affen gezeigt, dass sich diese Resistenz mit nützlichen Bakterien auch wieder rückgängig machen lässt.
ZitatJe älter wir werden, umso anfälliger werden wir für bestimmte Krankheiten. Der Grund dafür sind Veränderungen im Immunsystem. Und diese machen offenbar auch nützlichen Bakterien das Leben schwer – was sich wiederum negativ auf die Gesundheit auswirken kann. Arya Biragyn vom National Institute on Ageing in Baltimore und seine Kollegen haben beobachtet, dass sich im Darm älterer Mäuse und Affen vermehrt Mikroben breitmachen, die Entzündungen hervorrufen. Nützliche Bakterien, wie beispielsweise Akkermansia municiphila, verschwinden dagegen.
„Forscher aus Belgien und andere hatten schon vorher beobachtet, dass dieses nützliche Bakterium Akkermansia wichtig ist, um die Barriere des Darms aufrecht zu erhalten. Außerdem konnten sie zeigen, dass sich die Symptome von Typ II Diabetes verringern, wenn man Mäusen diese Bakterien verabreicht. Wir haben deshalb vermutet, dass das Verschwinden von nützlichen Mikroben wie Akkermansia Schuld daran ist, dass alte Mäuse und auch Makaken Insulin-resistent werden.“
Mikrobielle Verjüngungkur lässt Krankheitssymptome verschwinden Um das zu testen, verabreichten die Forscher alten Mäusen Akkermansia-Bakterien. Und das führte tatsächlich dazu, dass die Zellen der Tiere wieder empfindlich für Insulin wurden. Auch bei alten Makaken funktionierte diese mikrobielle Verjüngungskur: Die Symptome des Altersdiabetes verschwanden.
Beim Menschen macht sich Akkermansia ebenfalls im Alter rar. Gleichzeitig haben Studien gezeigt, dass diese nützlichen Bakterien verhindern, dass die Darmwand für schädliche Stoffe durchlässig wird. Womöglich lässt sich also nicht nur der Altersdiabetes durch eine Mikroben-Kur lindern.
„Vermutlich würde das auch bei anderen altersbedingten Krankheiten in ähnlicher Weise funktionieren. Die Frage ist aber: Wie wirken sich solche Bakterien-Behandlungen langfristig auf den Organismus aus? Es wird einen Grund geben, warum nützliche Bakterien im Alter verschwinden. Entweder weil das Immunsystem sie vertreibt oder weil die Mikroben im Darm gegeneinander kämpfen. Vielleicht bewirkt eine langfristige Behandlung mit nützlichen Keimen also das Gegenteil.“
Arya Biragyn ist aber überzeugt, dass die Mikroben in unserem Körper auch andere altersbedingte Krankheiten steuern. Verschwinden die nützlichen Bakterien, wird die Darmwand durchlässiger für bestimmte schädliche Stoffe. Und das führt zu Entzündungen im Körper. Entzündungen, wie sie auch für altersbedingte Krankheiten wie Alzheimer oder rheumatische Arthritis typisch sind.
„In der letzten Zeit haben eine Menge Studien gezeigt, dass körpereigene Bakterien sehr viele Krankheiten beeinflussen. Sogar die Entstehung von Krebs und wir haben beispielsweise gesehen, dass der Erfolg von Tumorbehandlungen davon abhängt, welche Bakterien im Darm leben. Es liegt deshalb auf der Hand, dass die körpereigenen Bakterien besonders für die Gesundheit älterer Menschen eine sehr wichtige Rolle spielen.“
ZitatSo hat eine Studie aus Irland gezeigt, dass bei alten Menschen die Vielfalt der Bakterien im Darm schrumpft, sobald sie in ein Pflegeheim umziehen und nicht mehr selber kochen. Mit einer gesunden Ernährung und dem richtigen Umfeld können wir nützliche Bakterien also womöglich doch daran hindern, den Darm im Alter zu verlassen.
Lungenflora: Bakterien in den Atemwegen Der Mikrobiologe Professor Michael Schloter vom Helmholtz-Zentrum München erforscht die Bakterienvielfalt in der Lunge. Er erklärt, warum die Keime für unsere Gesundheit wichtig sind
ZitatWelche generellen Aufgaben hat das Lungenmikrobiom? Vermutlich sind es drei Kernfunktionen. Erstens schützt es vor Infektionen. Denn Krankheitserreger haben es schwerer, sich in einem bereits besiedelten Lebensraum zu etablieren. Zweitens wechselwirken auch die Mikroorganismen der Lunge mit unserem Immunsystem. Es lernt, dass es sich um harmlose Organismen handelt, die nicht bekämpft werden müssen. Und drittens baut das Mikrobiom wohl Schadstoffe ab, die beim Einatmen in die Lunge gelangen. Wir konnten Bakterien identifizieren, die potenziell in der Lage sind, komplexe organische Verbindungen abzubauen.
Weiß man schon etwas darüber, was dem Lungenmikrobiom schadet? Eine Reihe äußerer Faktoren hat einen negativen Effekt. Dazu zählt in erster Linie das Rauchen, aber auch eingeatmete Nanopartikel können starke Schäden verursachen.
Störungen der Darmflora werden für alle möglichen Krankheiten mitverantwortlich gemacht – von Verdauungsbeschwerden bis zu Morbus Parkinson. Welche negativen Auswirkungen hat ein nicht intaktes Lungenmikrobiom? Eine gesunde Lungenflora zeichnet sich durch eine große Vielfalt verschiedener Bakterien aus. Diese ist zum Beispiel bei Asthma deutlich reduziert. Das konnten wir an Mäusen zeigen. Doch wie bei fast allen Krankheiten, die mit dem Mikrobiom zusammenhängen, stellt sich die Frage nach der Henne und dem Ei. Im konkreten Beispiel heißt das: Ändert sich zuerst das Mikrobiom, und deshalb erkrankt ein Mensch an Asthma? Oder führen verengte Atemwege, Luftnot und ständiges Husten dazu, dass sich das Mikrobiom wandelt? Die Antwort darauf kennen wir noch nicht.
Das Mikrobiom der Lunge – Neues aus der Welt der Bakterien
ZitatBei COPD zeigen erste Daten, dass die Zusammensetzung der Lungenflora mit Exazerbationen (akuten Verschlechterungen) zusammenhängt. Möglicherweise wird die Lunge dadurch anfälliger für Infekte, die oft die Ursache für eine Exazerbation sind.
ZitatDazu untersuchten die Forscher Proben von neun gesunden und 16 erkrankten Probanden. Diese hatten an der europaweit EvA-(Emphysema versus Airway Disease-)Studie zu Lungenerkrankungen teilgenommen. Zum einen analysierten die Forscher die Lungen mittels quantitativer Computertomographie (qCT), um die Patienten den COPD-Subtypen zuzuordnen. Zum anderen nutzten sie Abstriche der Lungen, um anhand bestimmter Markergene die Zusammensetzung des Lungenmikrobioms zu bestimmen.
„Dabei konnten wir zeigen, dass die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft in der Lunge von COPD-Patienten ohne Veränderungen der Lungenstruktur der von Gesunden sehr ähnlich ist“, erklärt Erstautorin Marion Engel, Wissenschaftlerin in der Arbeitsgruppe Komplexe Systeme am Helmholtz-Zentrum. „Dahingegen unterscheidet sich das Lungenmikrobiom von Erkrankten mit strukturellen Veränderungen der Lunge signifikant von denen der beiden anderen Gruppen, und das unabhängig von der Schwere der Erkrankung.“
Streptokokken unter Verdacht Der Studie zufolge treten in strukturell veränderten Lungen besonders oft Streptokokken auf. Zu dieser Gattung gehören viele pathogene Vertreter, die auch häufig bei Exazerbationen nachgewiesen werden. In der Lunge von Gesunden dagegen fanden sich vermehrt Bakterien der Gattung Prevotella, denen auch eine Reihe von probiotischen Eigenschaften zugeschrieben werden.
Das Lungenmikrobiom: Wer in unserer Lunge wohnt, hat Einfluss auf unsere Gesundheit So seltsam es scheinen mag: In unserer Lunge lebt es. Wer genau dort lebt scheint die Lungengesundheit nachhaltig mit zu beeinflussen, zeigt eine aktuelle Studie. Forscher hoffen auf Erkenntnisse, die zu besseren Behandlungsmethoden beitragen. https://www.deutschesgesundheitsportal.d...ere-gesundheit/
Mikrobiom - die Wunderwaffe im Darm Ärzte können vom Bakterien-Wissen der Mikrobiologen profitieren. Darum wird jetzt gemeinsam geforscht.
ZitatIndividuum, das: „Der Mensch als Einzelwesen“ - Duden. So kann man sich täuschen.
Jeder von uns ist viele. Und das ist lebensnotwendig und nicht tiefenpsycho-, sondern mikrobiologisch gemeint. Denn mittlerweile wissen Forscher, dass Billionen von Mikroorganismen in uns leben und das Werkl am Laufen halten. Das so genannte Mikrobiom wirkt auf unsere Gesundheit und dürfte auch unser Verhalten prägen. Wie genau, ist bisher unbekannt. Doch das soll sich ändern, wenn es nach Michael Wagner geht. „Ich entwickle Methoden, um Mikroben, die tausendstel Millimeter groß sind, beim Fressen zuzuschauen“, sagt der Mikrobiologe von der Universität Wien, der unlängst den Wittgenstein-Preis (Österreichs höchstdotierten Wissenschaftspreis) erhalten hat.
ZitatFruchtbarkeit bis Sonnenbrand
Das Mikrobiom hat auch abseits des Darms Auswirkung auf den Menschen. Hier sind drei Beispiele für Forschungsprojekte aus Österreich.
Fruchtbarkeit: Lange dachte man, Gebärmutter, Eileiter und Eierstöcke seien Bakterien-frei. Heute weiß man, dass der entsprechende Mikroorganismen-Mix den Kinderwunsch beeinflusst. Das Wiener Wunschbaby Institut Feichtinger untersucht, wie sich das auf Samen- sowie Embryo-Qualität und Schwangerschaftsraten auswirkt. Außerdem versucht man herauszufinden, inwieweit das Mikrobiom durch Zugabe „guter“ Laktobazillen positiv beeinflusst werden kann.
Haut: Wie das Mikrobiom auf der Haut vor schädlichen UV-Strahlen schützt, haben Forscher der MedUni Graz untersucht. Im Maus-Modell haben sie festgestellt, dass das Immunsystem nicht mehr im vollen Umfang arbeiten kann, wenn die Haut der Maus keimfrei gemacht wurde. Im nächsten Schritt wollen die Mediziner untersuchen, welche Haut-Mikroorganismen das Immunsystem wie unterstützen. Bis man es genau weiß, raten die Forscher: Mit desinfizierter Haut Sonne meiden.
Gehirn: Dass die Mikroorganismen im Darm das Erinnerungsvermögen sowie emotionale Entscheidungsprozesse positiv beeinflussen können, konnten Forscher der Universität Graz unlängst nachweisen. Jene Teilnehmer, die über vier Wochen Mikroorganismen in Form von Probiotika einnahmen, schnitten bei Erinnerungstests besser ab und waren sicherer in ihren Entscheidungsfindungen. Die bessere Hirnleistung spiegelt sich auch in einem veränderten Darm-Mikrobiom wider.
ZitatIrgendwann, hofft Wagner, „weiß ich dann nicht nur, wie die Organismen heißen, sondern kann auch sagen, was die fressen, wovon sie leben und was sie nicht so gerne mögen. In einem nächsten Schritt kann man herausfinden, wie diese Lebewesen im Darm mit dem Menschen interagieren. Sind sie günstig für die Entwicklung des Immunsystems? Produzieren sie Stoffe, die auf unser Gehirn wirken? Sorgen sie dafür, dass wir Körpergewicht zulegen? Es gibt tausend Wege, wie Darmbakterien den menschlichen Körper beeinflussen können.“ Und umgekehrt: Wenn ich weiß, wie sie funktionieren, kann ich sie gezielter manipulieren.
Wagners Vision: Personalisierte Probiotika zum Heilen und Vorbeugen. „Ich bin mir sicher: Das ist eines der Zukunftsfelder. Österreich muss sich da positionieren.“
Was lebt in unserer Nase? Jeder Mensch hat eine individuelle Bakterien-Signatur in der Nasenhöhle Wimmelndes Leben: Jeder Mensch trägt in seiner Nase eine eigene kleine Lebenswelt mit sich herum. Denn die Mikroben der Nasenhöhle sind bei jedem individuell verschieden, wie deutsche Forscher ermittelt haben. Dennoch gibt es einander ähnliche Untergruppen der Nasenflora. Das Wissen um diese Gruppen könnte künftig die medizinische Behandlung erleichtern.
ZitatWir sind nie allein: Überall in und auf uns leben Mikroben, ob im Darm, auf unserer Haut oder sogar in der Luft um uns herum. Die Zusammensetzung dieses Mikrobioms verrät dabei einiges über uns, unsere Gesundheit und unsere Lebensweise, selbst der Staub in unseren Wohnungen trägt diese persönliche und verräterische Signatur.
Ein spezielles Refugium unseres Mikrobioms haben nun Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig genauer untersucht: unsere Nasen. Für ihre Studie nahmen sie bei 80 Probanden Abstriche und Gewebeproben aus verschiedenen Zonen der Nasenhöhle und analysierten sie auf ihre mikrobielle Zusammensetzung hin.
Individuell wie ein Fingerabdruck Das Ergebnis: Jeder Mensch trägt auch in seiner Nase eine ganz individuelle Lebenswelt von Bakterien mit sich herum. Diese bakterielle Signatur ist beinahe so unverwechselbar wie ein Fingerabdruck. Die meisten Mikroben des Naseninnenraums sind dabei harmlos, andere können Krankheiten auslösen.
Überraschenderweise macht es dabei keinen Unterschied, an welcher Stelle der Nase man die Bakterien-Zusammensetzung untersucht: „Das ist ein ganz anderes Ergebnis als man es etwa bei Untersuchungen der Mundhöhle erhält“, erklärt Seniorautor Dietmar Pieper. „Dort gibt es scharf abgegrenzte Bereiche mit sehr unterschiedlichen Bakterien-Gemeinschaften.“
Ähnliche Gruppen der Nasen-Flora Allerdings: Die Nasen-Mikrobiome folgen bestimmten Mustern. Im Überblick gesehen lassen sich demnach mindestens 13 einander ähnliche Untergruppen der Nasen-Flora unterscheiden, wie die Forscher berichten. Am häufigsten sind dabei Bakteriengemeinschaften, in denen die eher harmlose Bakterienart Corynebacterium accolens dominierte. Eine andere Gruppe weist – neben weiteren Keimen – besonders viele potenziell problematische Staphylococcus aureus-Bakterien auf.
Einige Stämme dieser Bakterienart sind gegen viele gängige Antibiotika resistent. „Meist verursachen sie keine Symptome, doch wenn sie beispielsweise in offene Wunden eindringen, kann das sehr problematisch werden“, erklärt Pieper. Das Wissen um diese Mikrobiom-Gruppen könnte daher medizinisch bedeutsam sein, etwa wenn die betreffenden Personen auf Antibiotika-Behandlungen oder andere Therapien unterschiedlich reagieren.
„Es ist anzunehmen, dass das individuelle Mikrobiom die Wirksamkeit verschiedener Therapien beeinflusst“, sagt Pieper. „Wir sehen mit dem Vorhandensein einer begrenzten Anzahl an Mikrobiom-Typen das Potenzial, Behandlungen im Sinne einer personalisierten Medizin individuell an den jeweiligen Patienten anzupassen.“
Stadtwohnungen – Reservoir für menschliche Bakterien Wo wir leben – auf dem Land oder in der Stadt – hat einen dramatischen Einfluss auf die Mikroben in unserer nächsten Umgebung – in unseren Heimen. Sind wir in ländlichen Umgebungen vermehrt den Keimen aus der Umgebung ausgesetzt – von Tieren oder aus der Natur – so umgeben wir uns in Stadtwohnungen meist nur noch mit unseren eigenen menschlichen Mikroorganismen, die wir selbst aus dem Mund, von unserer Haut oder über den Darm an die Umwelt abgeben.
Je städtischer wir leben, desto menschlicher sind die Bakteriengemeinschaften geprägt. Das hat jetzt ein internationales Forscherteam von der New York University in der Online-Zeitschrift „Science Advances“ berichtet. Wie sich der mikrobiologische Fingerabdruck, den wir in unseren Wohnungen hinterlassen auf unsere Gesundheit auswirkt, ist noch unklar.
ZitatStadtwohnungen fehlen Umweltkeime In Stadtwohnungen kapselt man sich viel mehr der Außenwelt ab durch Mauern und Zwischenwände. Hier wimmelt es von Keimen, die vom Menschen sind – aus der Mundhöhle, aus dem Darm oder von unserer Haut. Jeder Mensch trägt eine Wolke aus Mikroorganismen mit sich. Diese Mikroorganismen sitzen überall auf der Haut, aber auch im Körper. In den gut abgedichteten Stadtwohnungen sind wir Menschen also selbst die erste Quelle für die Mikroorganismen in unserer Umgebung. Aus mikrobiologischer Sicht „vermenschlichen“ sich die Häuser und Wohnungen. Das könnte auch dazu führen, dass womöglich eine Übertragung von Krankheitserregern erleichtert wird, meinen die Forscher.
Was geschieht aber mit uns, wenn wir es in unseren Stadtwohnungen nur noch mit einem sehr reduzierten Artenspektrum an menschlichen Mikroorganismen zu tun haben? Ist das die Erklärung für vermehrte Immunstörungen, wie Asthma oder Stoffwechselprobleme von Menschen, die in den Städten leben? Die Forscher sehen die Hygiene-Hypothese bestätigt. Diese geht davon aus, dass das Immunsystem von Kleinkindern in der Entwicklung beeinträchtigt wird, wenn die Umgebung zu sauber ist und zu wenige Keime enthält. So werden allergische Erkrankungen gefördert. Kontakt zu Bakterien aus der Umwelt ist besonders wichtig, damit das Immunsystem von Kindern lernt zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Mikroben zu unterscheiden.
Die Mischung macht‘s In der Studie konnten die Mikrobiologen in den Stadtwohnungen sogar einzelne Proben bestimmter Mikroorganismenmischungen speziellen Räumen wie Bad, Küche oder Schlafzimmern zuordnen. Wobei sich die Zusammensetzungen deutlich unterschieden.
Im vergangenen Jahr hatten US-Forscher auch schon gezeigt, dass es deutliche Unterschiede in der Zusammensetzung der Mikrobengemeinschaft gibt, je nachdem ob ein Mann oder eine Frau in der Wohnung lebt. Hunde oder Katzen hinterlassen ebenfalls ihren ganz typischen mikrobiologischen Fingerabdruck (Studie in der Fachzeitschrift „Proceedings B“ der britischen Royal Society).
ZitatForscher des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) rücken in der Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution den Fokus gerade auf ein Ökosystem, das bisher verborgen vor unseren Augen existiert – in unseren Wohnungen und Häusern. Hier leben Mikroben mit uns Haut an Haut und auch in unseren Körpern. Mehr als zweihunderttausend Mikroorganismen sind dort bisher bekannt. Allein auf unserer Haut leben tausende Bakterien, in unseren Wohnungen gut 40.000 Arten von Pilzen. Mit scharfen Waffen wie Desinfektions- und Badewannenspray oder Antibiotika führen wir einen täglichen Kampf im Lebensraum Haus – ohne bisher langfristig zu wissen, welche Konsequenzen es am Ende für uns hat. Wir putzen zu viel und schaden damit womöglich einem Ökosystem, welches uns gesund erhält.
Artenvielfalt macht Lebensräume widerstandsfähiger Schon lange interessieren sich Wissenschaftler für die Widerstandsfähigkeit in größeren Lebensräumen wie Wiesen und Wäldern gegen Schädlinge, Klimaschwankungen oder auch Krankheitserreger. Fazit dieser Studien: je höher die Vielfalt der Arten, desto eher können solche Störungen toleriert werden, weil nie alle Arten gleichzeitig betroffen sind.
Ziel der Forscher ist es nun, herauszufinden, ob diese Stabilitätstheorie auch für die Welt im Mikrokosmos gilt. Das hätte weitreichende Folgen für unsere Gesundheit. So stören wir womöglich durch unsere Eingriffe in die mikrobielle Artenzusammensetzung unserer Umwelt, dass Krankheitserregern ganz natürlich eingedämmt werden. Wie Pflanzen und Tiere konkurrieren auch Mikroben in einem dicht besiedelten, artenreichen Raum um die vorhandenen Ressourcen. Neue Arten fassen daher schwerer Fuß. Ist der Lebensraum aber sowieso gestört, dann können sich schädliche Neuankömmlinge viel besser ausbreiten.
Mikroben schützen vor Krankheitserregern Der Effekt, dass sich Krankheitserreger in artenarmen Ökosystemen schneller ausbreiten können, wurde schon mehrfach von Experten für die Mikrowelt beschrieben. So können Stäbchenbakterien der Art Clostridium difficile besonders gut Darmentzündungen mit Durchfall auslösen, wenn anfällige Menschen vorher eine Antibiotikatherapie bekamen.
Ein anderes Beispiel finden wir in jeder Dusche. In den Duschköpfen bilden sich schnell Biofilme aus krankheitsauslösenden Bakterien, sogenannte Nichttuberkulöse Mykobakterien. Besonders in Regionen, in den Wasser gechlort wird, treten diese Biofilme häufiger auf. Die Mykobakterien breiten sich zudem besonders gut auf metallenen Duschschläuchen aus.
Aber auch unsere Küchenschwämme passen in diese Reihe. Nach einer Studie von Forschern der Hochschule Furtwangen, der Justus-Liebig Universität und dem Helmholtz-Zentrum München. In gebrauchten Küchenschwämmen stellten die Wissenschaftler Bakterienkonzentrationen fest, wie sonst nur in Fäkalproben. Wurden die Schwämme nur mit heißem Wasser ausgewaschen oder in der Mikrowelle behandelt, stieg gerade der Anteil der für uns gefährlichen Bakterien an. Daher bleibt bisher nur ein regelmäßiges Austauschen der Schwämme als effektive Hygienemaßnahme.
Ich nehme mal an, das folgende wird auch auf das Mikrobiom der Haut, Atemwege usw. zutreffen:
MIKROBIOM Unsere Darmvielfalt ist bedroht Die Mikroorganismen im menschlichen Darm spielen eine wichtige Rolle für die Gesundheit. Doch zumindest in westlichen Gesellschaften wird das Mikrobiom artenärmer. Mit speziellen Sammlungen versuchen Wissenschaftler, seine Vielfalt zu bewahren.
ZitatEin lebendiges Korallenriff, in dem eine Vielzahl von Fischen und anderen Meeresbewohnern durch eine schillernde Unterwasserwelt schwimmt. Oder ein tropischer Regenwald, in dessen dämmrigem Grün sich vom Schmetterling bis zum Frosch und vom Papagei bis zum Gorilla die unterschiedlichsten Bewohner verbergen. Solche Bilder fallen einem als Erstes ein, wenn es um besonders vielfältige Lebensgemeinschaften voll fein gesponnener Beziehungen geht.
An seinen eigenen Darm dürfte bei diesem Thema dagegen kaum jemand denken. Dabei enthält der eines der komplexesten Ökosysteme, die Wissenschaftler überhaupt kennen. Dort leben Abermilliarden von Mikroben, deren kompliziertes Zusammenspiel weit reichende Folgen für die menschliche Gesundheit hat. Doch wie die Riffe und Wälder der Erde scheint sich auch dieser Lebensraum zu verändern, so dass manche Arten seltener werden. Was aber, wenn dadurch medizinisch wichtige Funktionen und genetische Informationen ebenfalls verloren gehen? Um das zu verhindern, bauen Wissenschaftler derzeit Sammlungen auf, in denen ein möglichst großer Teil der Mikrobenvielfalt für die Zukunft bewahrt werden soll: eine Art Arche Noah für Darmbewohner.
Kandidaten, die an Bord gehen könnten, gibt es genug. Schätzungen zufolge trägt jeder Mensch auf und in seinem Körper etwa 1,3-mal mehr Bakterien und andere Mikroorganismen mit sich herum als eigene Zellen. Insgesamt kommen da schon etliche hundert Gramm an Mitbewohnern zusammen, von denen die weitaus meisten im Dickdarm leben.
Mikrobiom-Forschung erlebt Boom Ein einziges Gramm Darminhalt enthält rund 100 Milliarden Mikroben, die durch vielfältige Beziehungen untereinander und mit ihrem Wirt verbunden sind. Sie konkurrieren und kooperieren miteinander, nutzen das reiche Nahrungsangebot im Darm und bauen für den Menschen schwer verdauliche Bestandteile in neue Verbindungen um. Hunderte Mikrobenarten setzen dabei Tausende von Substanzen frei, die im Körper die verschiedensten Wirkungen entfalten und damit einen großen Einfluss auf seine Gesundheit haben. Die Gesamtheit all dieser mikrobiellen Mitbewohner mitsamt ihren Lebensräumen und ökologischen Funktionen nennen Fachleute das »Mikrobiom«.
Die Erforschung dieses körpereigenen Ökosystems hat in letzter Zeit einen wahren Boom erlebt. Jedes Jahr erscheinen zu dem Thema Tausende wissenschaftlicher Veröffentlichungen. »Das liegt daran, dass man das Erbgut dieser Organismen dank moderner Methoden heute viel schneller und effektiver analysieren kann als noch vor zehn Jahren«, erklärt Alexander Loy von der Universität Wien. Er ist Mitbegründer der Austrian Microbiome Initiative (AMICI), in der Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen die Lebensgemeinschaft im Darm und deren Funktionen besser zu verstehen versuchen. »Wir wollen herausfinden, wie die einzelnen Arten zusammenarbeiten, welche Substanzen sie freisetzen und was diese bewirken«, erklärt der Forscher. »Und natürlich interessiert uns, ob es einen Zusammenhang mit bestimmten Krankheiten gibt.«
Das alles aufzudröseln, ist allerdings eine komplizierte Angelegenheit. Der erste Schritt besteht darin, Kotproben auf Mikroben-DNA zu untersuchen und so eine Art Inventarliste der darin lebenden Organismen zu erstellen. Die dazu nötigen genetischen Analysen konzentrieren sich vor allem darauf, die Reihenfolge der DNA-Bausteine im so genannten 16S-rRNA-Gen zu untersuchen. Denn anhand dieser Sequenz lassen sich verschiedene Bakterienarten besonders gut voneinander unterscheiden.
Bei solchen Untersuchungen kommen dann auch immer wieder neue, noch unbekannte Darmbewohner zu Tage. Im Kot von 20 Menschen aus Großbritannien und Kanada hat ein Team um Samuel C. Forster vom britischen Genomforschungsinstitut Wellcome Sanger Institute in der Nähe von Cambridge kürzlich zum Beispiel 273 verschiedene Bakterienarten nachgewiesen. Immerhin 105 davon hatte vorher noch nie jemand isoliert.
»Die große Vielfalt der Darmbewohner kommt dadurch zu Stande, dass es in diesem Ökosystem Nischen für die unterschiedlichsten Ansprüche gibt«, erklärt Alexander Loy. Während zum Beispiel direkt an der gut durchbluteten Darmschleimhaut noch einiges an Sauerstoff zur Verfügung steht, ist dieser weiter im Inneren des Dickdarms Mangelware. Entsprechend kommen dort nur noch anaerobe Bakterien vor, die ihren Stoffwechsel auf sauerstofffreie Verhältnisse eingestellt haben.
Darmorganismen – die großen Unbekannten Dabei leben jedoch keineswegs in allen Menschen die gleichen Arten. Je nach Lebensstil, Umwelt und Genetik hat sich in jedem Darm eine ganz eigene, individuell zusammengesetzte Mikroben-WG angesiedelt. Noch komplizierter wird die Sache, weil jede Art auch noch aus verschiedenen Stämmen besteht. Und davon trägt jeder Mensch seine ganz persönliche Kombination mit sich herum.
»Ungünstigerweise kann man diese Stämme mit den gängigen genetischen Analysen nicht auseinanderhalten«, sagt Loy. Das 16S-rRNA-Gen verrät zum Beispiel nicht, ob im Darm eines Menschen die weit verbreiteten harmlosen Stämme des Bakteriums Escherichia coli leben oder ob es sich um pathogene Varianten handelt. »Wir können auf diese Weise also etwas über die Zusammensetzung der Mikrobengemeinschaft herausfinden, aber nicht über ihre Funktionen«, erklärt der Forscher. Zumal bei 40 bis 70 Prozent aller in den Darmorganismen gefundenen Gene bisher niemand wisse, wofür sie genau zuständig seien. »Das ist noch eine große Baustelle.«
Dabei sind gerade die Funktionen der einzelnen Darmbewohner besonders interessant, wenn es um die menschliche Gesundheit geht. Mehr und mehr zeichnet sich nämlich ab, dass die kleinen Mitbewohner die unterschiedlichsten Aspekte des Stoffwechsels, des Immunsystems und sogar des Verhaltens beeinflussen können. So baut ihr Stoffwechsel Zucker, Proteine und Fette aus der Nahrung in kleinere Moleküle wie die kurzkettigen Fettsäuren Essig-, Propion- und Buttersäure um. Diese werden dann über die Darmschleimhaut aufgenommen und über den Blutkreislauf in verschiedene andere Organe transportiert. Azetat, das Salz der Essigsäure, gelangt auf diesem Weg beispielsweise bis ins Gehirn, wo es an bestimmte Rezeptoren bindet und so unter anderem ein Sättigungsgefühl auslöst.
Die Strippenzieher aus dem Darm Doch auch ein Zusammenhang mit verschiedenen Krankheiten wird immer wieder diskutiert. So haben Menschen, die unter chronischen Darmentzündungen, Typ-II-Diabetes oder Autismus leiden, ein anders zusammengesetztes Mikrobiom als Gesunde. »Das muss allerdings nicht unbedingt bedeuten, dass diese Krankheiten durch die veränderte Bakteriengemeinschaft ausgelöst werden«, erklärt Alexander Loy. Es kann theoretisch genauso gut sein, dass die Entwicklung in umgekehrter Richtung verläuft: Erst bricht die Krankheit aus, dadurch verändern sich die Lebensverhältnisse im Darm, und darauf reagieren dann schließlich die Mikroorganismen. »Was Ursache und was Wirkung ist, lässt sich oft nicht leicht herausfinden«, betont der Wiener Forscher.
In einigen Fällen aber sind die Zusammenhänge klar. Wenn die Zahl der normalen Darmbewohner durch eine Antibiotikatherapie dezimiert ist, nutzen zum Beispiel oft Krankheitserreger ihre Chance. Mangels Konkurrenz können sie sich in dieser Situation viel besser etablieren als normalerweise und damit auch mehr Schaden anrichten. Nachgewiesen ist das etwa bei dem als Krankenhauskeim berüchtigten Bakterium Clostridium difficile, das sehr starke und mitunter lebensgefährliche Durchfälle und Darmentzündungen auslösen kann.
Doch auch bei Menschen, die keine Antibiotika genommen haben, kann das Mikrobiom verarmt sein. So scheint im Darm von Stadtbewohnern in Industriegesellschaften generell weniger mikrobielle Vielfalt zu herrschen als bei Menschen mit einem traditionelleren Lebensstil. Das hängt wohl vor allem mit der Ernährung zusammen, die bei Letzteren oft chemisch komplexer zusammengesetzt ist und deshalb eine vielfältigere Darm-WG erfordert.
Mikrobiom reagiert auf saisonale Unterschiede Samuel Smits von der Stanford University in den USA und seine Kollegen haben das zum Beispiel festgestellt, als sie das Mikrobiom der Hadza in Tansania untersuchten (PDF). Bei diesen Jägern und Sammlern verändert sich die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft im Lauf des Jahres. Die größte Mikrobenvielfalt besitzen sie in der Trockenzeit, wenn der Speiseplan abwechslungsreicher ist und mehr Fleisch enthält als in der Regenzeit. Offenbar reagiert das Mikrobiom auf solche saisonalen Unterschiede, so dass immer die Arten aktiv sind, die mit der jeweiligen Kost am meisten anfangen können. Ändert sich die Ernährung, werden einige Arten so selten, dass sie sich im Kot nicht mehr nachweisen lassen. Erst in der nächsten Saison tauchen sie dann wieder auf.
Und genau diese flexiblen Organismen scheinen es zu sein, die in modernen Gesellschaften auf dem Rückzug sind. Das haben die Forscher herausgefunden, als sie ihre Daten aus Tansania mit denen von Menschen aus 16 anderen Ländern mit unterschiedlichem Lebensstil verglichen. Verliert der Mensch in den modernen Gesellschaften also einen Teil jener Mitbewohner, mit denen ihn Hunderttausende von Jahren gemeinsamer Evolutionsgeschichte verbinden? Und könnte das ein Grund dafür sein, dass Zivilisationskrankheiten wie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Fettleibigkeit, Asthma, Diabetes und Allergien auf dem Vormarsch sind?
Etliche Mikrobiologen halten das durchaus für möglich. Denn es gibt Indizien dafür, dass eine artenärmere Darmgemeinschaft in der frühen Kindheit ein höheres Risiko für solche Krankheiten darstellt. Und da es weltweit immer mehr Menschen in die Städte und zu einem modernen Lebensstil zieht, könnte sich dieser Trend in Zukunft noch verstärken. Deshalb wollen Experten dem Schwund des mikrobiologischen Erbes der Menschheit nicht tatenlos zusehen.
Bibliotheken für Mikroben So haben sich etwa ein Dutzend Wissenschaftler um Maria Gloria Dominguez-Bello von der Rutgers University im US-Bundesstaat New Jersey zu einer internationalen Initiative namens The Microbiota Vault (der Mikrobiota-Tresor) zusammengeschlossen. Sie plädieren dafür, eine internationale Einrichtung zu schaffen, in der mikrobiologische Proben aus aller Welt an einem sicheren und politisch neutralen Ort dauerhaft eingefroren werden können. Vorbild ist der Svalbard Global Seed Vault auf der Insel Spitzbergen, wo seit 2008 Saatgut eingelagert wird, um die Vielfalt der Nutzpflanzen auf der Erde zu erhalten.
Auf ganz ähnliche Weise soll ein »Bakterien-Rettungsboot« künftig dazu beitragen, die Vielfalt der Mitbewohner im menschlichen Körper zu erhalten und zu erforschen. »Wir müssen besser verstehen, welche Stämme in menschlichen Populationen verschwinden und welche funktionalen und pathologischen Folgen das hat«, betonten einige der führenden Köpfe der Initiative im Jahr 2018 im Fachjournal »Science«.
Immerhin lebe schon heute mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in einem städtischen Umfeld. Und man befürchte, dass dort Darmbewohner verloren gehen könnten, die für die menschliche Gesundheit wichtig sind. Das aber könne man nicht hinnehmen. »Wir schulden den künftigen Generationen die Mikroben, die unsere Vorfahren seit mindestens 200 000 Jahren der menschlichen Evolution besiedeln«, schreiben die Forscher. Am wichtigsten sei es dabei, die Mikrobiome von verschiedenen menschlichen Gesellschaften rund um die Welt zu erhalten. Und zwar besonders von denen, die dem Trend zum städtischen Leben noch nicht gefolgt sind. Womöglich bleibe dazu nicht mehr viel Zeit, betonen die Wissenschaftler: »Wir müssen anfangen, bevor es zu spät ist.«
Erste Schritte auf diesem Weg werden bereits gemacht. So haben Eric Alm, Mathieu Groussin, Mathilde Poyet und Ainara Sistiaga vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) im US-amerikanischen Cambridge 2016 eine weitere Mikrobenschutz-Initiative, die Global Microbiome Conservancy (GMC), ins Leben gerufen. Hier arbeiten mittlerweile Experten aus rund 70 wissenschaftlichen und medizinischen Institutionen rund um die Welt zusammen. Beteiligt ist ein breites Spektrum an Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen – von Mikrobiologen und Medizinern über Anthropologen bis hin zu Ökologen und Evolutionsbiologen. Gemeinsam versuchen sie, gezielt einen möglichst großen Teil der Lebensvielfalt aus dem menschlichen Darm zu sammeln und zu erhalten.
Begonnen haben die GMC-Mitarbeiter ihre Bakterien-Bibliothek mit mehr als 7600 Proben aus dem Darm gesunder Stadtbewohner aus Nordamerika. Als Nächstes haben sie rund 4000 Bakterienstämme aus nicht industrialisierten Gesellschaften im arktischen Kanada, in Kamerun und Tansania gesammelt und eingefroren. Inzwischen ist die Kollektion auf mehr als 11 600 Bakterienproben aus 23 menschlichen Populationen rund um die Welt angewachsen. Und die Arbeit geht weiter. Die Genehmigungen für Sammlungen in Ghana, Ruanda und Malaysia sind schon da.
Jeder behält Eigentumsrechte an seinen Mikroben Um an weitere Passagiere für ihre gefrorene Arche zu kommen, wollen die Forscher mit möglichst vielen verschiedenen Menschen rund um die Welt zusammenarbeiten - vor allem mit den Angehörigen indigener Völker. Sie betonen, dass jeder Teilnehmer, der seinen Kot für das Projekt zur Verfügung stellt, die Eigentumsrechte an seinen Mikroben behält. Zudem soll es eine offene und nicht kommerzielle Sammlung werden, zu der jeder interessierte Wissenschaftler Zugang bekommt. Falls sich aus der Kollektion eines Tages Medikamente oder andere Nutzungen entwickeln lassen, sollen auch die Herkunftsländer der Spender davon profitieren.
Gar nicht so schlecht - vielleicht erzeugen Bakterien Sekundärstoffe, welche als Retrotransposonen in Frage kommen.
Viren sind ja Konkurrenz oder Feind der Bakterien von daher könnte es ein Ziel vieler Bakterien sein, die Viren - und damit ggf. auch die Retransposonen - zu bekämpfen.
Die Frage ist nur, welches von den Millionen unterschiedlicher Bakterien wäre hier ein guter Kandidat?
Probiotische Bakterien und Phytoöstrogene, die ideale Kombination:
Zitat On the other hand, the intake of a diet rich in phytoestrogens along with the presence of selected probiotic bacteria may lead to the production of equol, enterolignans, and urolithins, which are considered protective against chronic diseases related to aging.
Mikrobiom Kaiserschnitt-Kinder sind womöglich anfälliger für Infektionen Neugeborene, die per Kaiserschnitt auf die Welt kommen, haben eine andere Darmflora als Babys, die natürlich geboren werden, zeigt eine große Studie
ZitatDer Darm von Säuglingen wird unmittelbar nach einer natürlichen Geburt rasch mit Mikroorganismen der Mütter, aber auch durch Mikroben aus der Umgebung besiedelt. Seit einigen Jahren hegen Forscher den Verdacht, dass Krankheiten im Kindesalter und im späteren Leben möglicherweise Folge einer gestörten Erstkolonisation des Darm-Mikrobioms von Neugeborenen sein könnten.
Umstritten ist bisher, wie sich der Erwerb und die Entwicklung des Darm-Mikrobioms zwischen natürlichen Geburten und Entbindungen durch Kaiserschnitt unterscheiden.
In einer aktuellen Publikation im Fachjournal "Nature" dokumentieren britische Forscher die Zusammensetzung der Darmflora in insgesamt 1.679 Stuhlproben von Neugeborenen. Die Forscher nahmen vier, sieben und 21 Tage nach der Geburt sowie im späteren Säuglingsalter Stuhlproben nach 282 Kaiserschnitt-Entbindungen. Diese verglichen sie mit Stuhlproben von 314 vaginal Geborenen aus britischen Krankenhäusern. Bei einer Teilmenge der Babys sammelten die Forscher zusätzlich Proben von insgesamt 175 Müttern, um die Herkunft der Darmbakterien zu ermitteln.
Weniger "gute" Stämme Das zentrale Ergebnis der Längsschnittuntersuchung: Bei den per Kaiserschnitt Geborenen fand sich über die Zeit nicht nur eine verminderte Zahl von "guten" mütterlichen Bacteroides-Stämmen, sondern auch eine vermehrte Besiedlung mit opportunistischen Krankheitserregern – darunter Enterococcus-, Enterobacter- und Klebsiella-Arten. "Das heißt, es handelt sich um Erreger von Infektionen bei bereits kranken, meist hospitalisierten und wegen ihrer Grunderkrankung mit Antibiotika behandelten Patienten", erklärt Mathias W. Hornef, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie der Uni-Klinik RWTH Aachen.
Nach Angaben der Autoren stellt die Art der Geburt damit einen signifikanten Risikofaktor dar, wie sich das Darm-Mikrobiom von Neugeborenen bis hin ins Säuglingsalter zusammensetzen wird. Die Forscher kultivierten über 800 Bakterienstämme und analysierten anschließend ihr gesamtes Erbgut, führten also eine sogenannte Genomsequenzierung durch. Dadurch spürten sie bei den Kaiserschnitt-Kindern bakterielle Virulenzfaktoren und klinisch relevante antimikrobielle Resistenzen bei einigen opportunistischen Krankheitserregern auf, die die Kinder für Infektionen bei geschwächtem Immunsystem anfällig machen könnten.
UNSER BAUCH Die wunderbare Welt des Mikrobioms Als Darmflora bezeichnet man die Gesamtheit der 100 000 Milliarden Mikroorganismen, die den Darm besiedeln und für die Gesundheit des Wirtsorganismus von entscheidender Bedeutung sind. Die lange verkannte Darmmikrobiotika, auch als Mikrobiom bezeichnet, enthüllen nach und nach ihre Geheimnisse und sorgen für eine wissenschaftliche und medizinische Revolution.
ZitatDer menschliche Verdauungstrakt beherbergt rund 100 000 Milliarden Mikroorganismen, das sind zehnmal mehr als die Anzahl aller Körperzellen. Die Gesamtheit von Bakterien, Parasiten und unschädlichen Pilzen, gemeinhin als Darmflora bezeichnet, bringt gute zwei Kilo auf die Waage.
Eine genaue Untersuchung der Darmmikrobiotika war lange nicht möglich: Fast keines der Bakterien kann in vitro gezüchtet werden, da ihnen Licht und Luft nicht bekommen. Erst jetzt gibt die lange verkannte Darmflora ihre Geheimnisse preis – und legt den Grundstein für eine wissenschaftliche und medizinische Revolution. Die Darmbakterien erhalten den Wirt bei guter Gesundheit. Der Schlüssel ist die Symbiose, das heißt das Gleichgewicht mit dem übrigen Organismus. Diese Funktionsweise zu verstehen, ist heute Forschungsgegenstand tausender Wissenschaftler weltweit.
Vergleiche des Stuhls kranker und gesunder Testpersonen zeigten, dass das Darmmikrobiom gesunder Menschen viel mehr Bakterien als die von Kranken enthält. Nach und nach legten die Wissenschaftler eine Kartografie von »Star-Bakterien« an, deren Fehlen in der Darmflora mit Krankheiten in Zusammenhang gebracht wird. Diese Erkenntnis könnte neue Weichen für die Medizin stellen.
Doch offenbar sind diese Bakterien vom Aussterben bedroht. Denn kaum hat man sie entdeckt, stellt man fest, dass sie immer weniger werden: Fast jeder vierte Mensch in der heutigen westlichen Welt hat eine mangelhafte Darmflora. Forscher machen die modernen Lebensumstände dafür verantwortlich, an erster Stelle Ernährung, Hygiene, Entbindungsart, Einnahme von Antibiotika oder Ernährungszusätzen.
Neurogenesis and prolongevity signaling in young germ-free mice transplanted with the gut microbiota of old mice
ZitatAbstract The gut microbiota evolves as the host ages, yet the effects of these microbial changes on host physiology and energy homeostasis are poorly understood. To investigate these potential effects, we transplanted the gut microbiota of old or young mice into young germ-free recipient mice. Both groups showed similar weight gain and skeletal muscle mass, but germ-free mice receiving a gut microbiota transplant from old donor mice unexpectedly showed increased neurogenesis in the hippocampus of the brain and increased intestinal growth. Metagenomic analysis revealed age-sensitive enrichment in butyrate-producing microbes in young germ-free mice transplanted with the gut microbiota of old donor mice. The higher concentration of gut microbiota–derived butyrate in these young transplanted mice was associated with an increase in the pleiotropic and prolongevity hormone fibroblast growth factor 21 (FGF21). An increase in FGF21 correlated with increased AMPK and SIRT-1 activation and reduced mTOR signaling. Young germ-free mice treated with exogenous sodium butyrate recapitulated the prolongevity phenotype observed in young germ-free mice receiving a gut microbiota transplant from old donor mice. These results suggest that gut microbiota transplants from aged hosts conferred beneficial effects in responsive young recipients.
Zitat von La_Croix im Beitrag #11Neurogenesis and prolongevity signaling in young germ-free mice transplanted with the gut microbiota of old mice
ZitatAbstract The gut microbiota evolves as the host ages, yet the effects of these microbial changes on host physiology and energy homeostasis are poorly understood. To investigate these potential effects, we transplanted the gut microbiota of old or young mice into young germ-free recipient mice. Both groups showed similar weight gain and skeletal muscle mass, but germ-free mice receiving a gut microbiota transplant from old donor mice unexpectedly showed increased neurogenesis in the hippocampus of the brain and increased intestinal growth. Metagenomic analysis revealed age-sensitive enrichment in butyrate-producing microbes in young germ-free mice transplanted with the gut microbiota of old donor mice. The higher concentration of gut microbiota–derived butyrate in these young transplanted mice was associated with an increase in the pleiotropic and prolongevity hormone fibroblast growth factor 21 (FGF21). An increase in FGF21 correlated with increased AMPK and SIRT-1 activation and reduced mTOR signaling. Young germ-free mice treated with exogenous sodium butyrate recapitulated the prolongevity phenotype observed in young germ-free mice receiving a gut microbiota transplant from old donor mice. These results suggest that gut microbiota transplants from aged hosts conferred beneficial effects in responsive young recipients.
Der große Schwachpunkt der Studie liegt meiner Meinung nach darin, dass man es versäumt hat, das Mikrobiom der Stuhlproben junger und alter Mäuse vor der Transplantation direkt zu vergleichen. Vermutlich hatten die alten Mäuse einfach nur mehr Zeit ein diverseres Mikrobiom zu sammeln (In freier Wildbahn dürfte das deutlich schneller gehen als im sterilen Labor...)?
Mikrobiom: Stimmungsmacher im Darm Viele psychische Erkrankungen wie Depressionen könnten ihre Wurzeln im Bauch haben. Mittlerweile verstehen Forscher die rätselhafte Verbindung zwischen dem Menschen und seinem Mikrobiom immer besser. https://www.spektrum.de/news/wie-der-dar...nflusst/1691794
Wie Medikamente das Mikrobiom beeinflussen In und auf Menschen leben mehr Bakterien, als der Körper Zellen hat. Dieses Mikrobiom beeinflusst den Stoffwechsel, das Immunsystem und das Gemüt. Doch die Bakteriengemeinschaft verarmt zusehends - verantwortlich dafür sind Lebensstil und zahlreiche Medikamente.
ZitatViele Medikamente wie Antibiotika Dass Antibiotika schlecht für das Mikrobiom sein können, kennen viele Menschen aus eigener Erfahrung. Denn die meisten Antibiotika greifen alle möglichen Bakterien an, nicht nur Krankheitserreger, sondern auch nützliche Darmbakterien. Die Folgen sind mitunter Übelkeit, Bauchzwicken und Durchfall. Und für das Mikrobiom bedeutet dieser Angriff, kurzfristig einen Teil seiner alteingesessenen Mitbewohner zu verlieren und deswegen nicht mehr richtig zu funktionieren.
Mittlerweile weiß man, dass nicht nur Antibiotika auf diese Weise wirken. Eine 2018 in „Nature“ erschienene Studie des European Molecular Biology Laboratory in Heidelberg zeigte, dass eine Vielzahl von Medikamenten einen ganz ähnlichen Effekt auf das Darmmikrobiom haben. Das Team testete die Wirkung von 1.000 Medikamenten an 40 weit verbreiteten Darmbakterien und kam zu dem Ergebnis, dass 27 Prozent der Wirkstoffe eine antibiotikaähnliche Wirkung auf das Mikrobiom haben und letztlich auch Antibiotikaresistenzen befördern könnten.
Ökosystem im Darm verarmt Zu diesen 27 Prozent gehören Protonenpumpenhemmer, die als Magenschutz, bei Sodbrennen und Gastritis verschrieben werden, und etliche Antipsychotika, wie Antidepressiva. Für die Mikrobiomforscherin Jillian Petersen von der Universität Wien ist die Studie ein weiterer Hinweis auf das komplexe Zusammenspiel von Mensch, Darmmikrobiom und Medikamenten. Das Problem sei jedoch, dass die Wissenschaft längst nicht alle Bakterienarten kenne.
„Vor ein paar Wochen gab es schon wieder eine neue Studie, in der 2.000 neue Menschendarmbakterienarten beschrieben wurden, die wir davor nicht kannten“, so Petersen. Die Diversität dieser Bakteriengemeinschaften aufzuschlüsseln, sei nach wie vor eine Herausforderung. Und eine Definition eines idealen Mikrobioms gebe es ebenfalls nicht.
Wie ein mikrobieller Fingerabdruck Denn jeder Mensch hat ein anderes Darmmikrobiom, das sich aus mehreren hundert, vielleicht tausend Bakterienarten zusammensetzt. Während sich bei Menschen 99,9 Prozent des Genoms überschneiden, sind es beim Mikrobiom gerade einmal zehn Prozent. Die Bakteriengemeinschaft ist wie ein mikrobieller Fingerabdruck und jeder Mensch hat seinen eigenen. Und auch wenn sich die Zusammensetzung der Darmbakterien von zwei Menschen stark unterscheidet, können beide gesund sein.
Was die Wissenschaft jedoch auch beobachtet, ist dass dieser mikrobielle Fingerabdruck zusehends verarmt. Einige Bakterienarten könnten bereits verschwunden sein. Das Menschen in modernen Industriegesellschaften immer weniger Bakterienarten im Darm haben, könnte am breiten Einsatz von Medikamenten liegen. „Und wenn wir Bakterienarten einmal verloren haben, können wir sie nicht auf die nächste Generation übertragen und den nächsten Generationen gelingt es auch nicht, sie aus der Umwelt wieder aufzunehmen“, so Petersen.
Erklärung für Volkskrankheiten Was das für die Gesundheit der Menschen bedeutet, ist allerdings noch nicht klar. Ein Vermutung ist, dass die Abnahme der Bakterienvielfalt wiederum die Zunahme einiger Volkskrankheiten wie Übergewicht oder Diabetes herbeiführte, sowie das vermehrte Auftreten von Allergien und Asthma und einen Anstieg bei entzündlichen Darmerkrankungen wie Reizdarm, Morbus Crohn oder sogar Darmkrebs.
Deswegen arbeiten einige Mikrobiomforscherinnen und -forscher daran, besonders nützliche Darmbakterien zu identifizieren und vielleicht zukünftig als Medikamente zu nützen. Fäkaltransplantation würden in den USA bereits standardisiert eingesetzt, sagt David Berry vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Universität Wien. „Dort gibt es eine Stuhlbank, vergleichbar mit einer Organbank, für die gesunde Freiwillige ihren Stuhl spenden“, so Berry. Der Einsatz der Präparate ist von der US-Arzneimittelbehörde FDA zugelassen.
Hautpflege mit Milchsäure-Bakterien Ein Extrakt aus speziellen Milchsäurebakterien wirkt gezielt bei trockener, juckender und brennender Haut. Das ergab eine klinische Studie der Berliner Organobalance GmbH.
ZitatMilchsäurebakterien, auch als Lactobacillales bekannt, sind gefragte Helfer und Zusätze in der Lebensmittelindustrie. Doch das Potenzial dieser nützlichen Bakterien ist weitaus größer, wie die Berliner Organobalance GmbH in einer klinischen Studie demonstriert hat. In der hauseigenen Sammlung von Bakterien und Hefestämmen fanden die Organobalance-Forscher dieses Mal einen Organismus, der gegen trockene Haut helfen kann: das Bakterium Lactobacillus brevis DSMZ17250. Extrakt lindert Entzündungen und schützt Haut
Im Rahmen der Studie wurde die Wirkung eines Milchsäurebakterien-Extraktes an Probanden getestet, die unter chronisch trockener Haut litten. Im Ergebnis der vierwöchigen Behandlung zeigte sich, dass Lactobacillus brevis nicht nur entzündungshemmend wirkt, sondern auch die Besiedlung der Haut durch schützende, symbiotische Mikroorganismen fördert, wie das Team im Fachjournal „Beneficial Microbes“ berichtet. Bakterium verbessert Mikrobiom der Haut
Die tägliche Behandlung mit dem zellfreien Lactobacillus-Extrakt führte danach zu einer signifikanten Verbesserung der geschädigten Haut. Mithilfe der Milchsäurebakterien konnte der Feuchtigkeitsverlust der Haut und damit auch Symptome wie Juckreiz, trockene oder brennende Haut deutlich reduziert werden. Auch wurde die Hautmikrobiota verbessert und das Wachstum verschiedener Bakterienstämme wie Staphylococcus epidermidis, die positive, schützende Eigenschaften auf die Haut haben, nachweislich gefördert.
Sind Adipositas, Herzkrankheiten und Diabetes über das Mikrobiom übertragbar? Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung von CAU-Professor Thomas Bosch liefert Hinweise, dass "nicht-übertragbare Krankheiten" möglicherweise doch über das Mikrobiom von Mensch zu Mensch weitergegeben werden könnten.
ZitatKrankheiten wie Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs oder bestimmte Lungenkrankheiten zählen heute zu den häufigsten nicht-natürlichen Todesursachen und machen etwa 70 Prozent der Todesfälle weltweit aus. Sie werden von der Weltgesundheitsorganisation WHO als nicht-übertragbar definiert, weil man davon ausgeht, dass sie durch eine Kombination von genetischen, Lebensstil- und Umweltfaktoren verursacht werden und nicht zwischen Menschen übertragen werden können.
In einer neuen Forschungsarbeit stellt ein Team des "Humans & the Microbiome"-Programms des Canadian Institute for Advanced Research (CIFAR) unter Beteiligung von Professor Thomas Bosch von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) diese Auffassung nun in Frage. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler liefern überzeugende Hinweise dafür, dass viele als nicht-übertragbar eingestuften Krankheiten möglicherweise doch von Mensch zu Mensch über das Mikrobiom weitergegeben werden können - und die mikrobielle Besiedlung des menschlichen Körpers einschließlich Bakterien, Pilzen und Viren zentral an der Übertragung beteiligt ist. Das Forschungsteam veröffentlichte die neue Hypothese im Wissenschaftsjournal Science.
Eine gewagte Hypothese "Wenn sich unsere Hypothese als richtig herausstellt, wird sie unsere Auffassung der öffentlichen Gesundheit völlig neu definieren", sagt Brett Finlay, Professor für Mikrobiologie an der Universität von British Columbia und Leiter des CIFAR-Forschungsprogramms "Humans & the Microbiome". Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stützen ihre Theorie darauf, erstmals Verbindungen zwischen drei verschiedenen bereits belegten Erkenntnissen herzustellen: Erstens konnten sie zeigen, dass bei einer Vielzahl von Erkrankungen, von Adipositas und entzündlichen Darmerkrankungen bis hin zu Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, das menschliche Mikrobiom im Vergleich zum gesunden Körper deutliche Veränderungen zeigt. Zweitens zeigten sie zahlreiche Belege dafür, dass solche veränderten Mikrobiom-Zusammensetzungen zur Ausprägung von Krankheiten führen, wenn man sie im Laborexperiment in einen ursprünglich gesunden Modellorganismus überträgt. Entnimmt man etwa das Darmmikrobiom einer fettleibigen Maus und transferiert es in ein gesundes Tier, wird dieses ebenfalls übergewichtig. Schließlich fanden sie zahlreiche Indizien, die auf eine generelle natürliche Übertragbarkeit des Mikrobioms hinweisen. "Wenn man diese Fakten zusammenfasst, legt das die Vermutung nahe, dass viele traditionell nicht als übertragbar eingestufte Krankheiten vielleicht doch übertragbar sind", betont Finlay.
Insbesondere den dritten Aspekt konnten Forschende aus Boschs Arbeitsgruppe an der Kieler Universität belegen. "Hält man Labortiere wie die Süßwasserpolypen nicht einzeln, sondern über eine gewisse Zeit in einem gemeinsamen Lebensraum, gleicht sich zunächst ihr Mikrobiom und in der Folge und auch ihre äußere Erscheinungsform einander an", fasst Mitautor Bosch zusammen. "Wir konnten nachweisen, dass dabei die Mikroben direkt von einem Individuum zum anderen gelangen. Möglicherweise findet diese Übertragung des Mikrobioms auch beim menschlichen Zusammenleben statt, zum Beispiel durch intensive soziale Kontakte oder in gemeinsamen Wohnungen", vermutet Bosch.
Anstoß für weitere Forschungsarbeiten Die neue Hypothese des CIFAR-Teams beruht auf einem explorativen interdisziplinären Austausch der im Mikrobiom-Forschungsprogramm kooperierenden Expertinnen und Experten und ihren unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven. Zunächst nur als Gedankenexperiment formuliert, zeigte sich schnell, dass es eine Vielzahl von deutlichen Hinweisen aus den verschiedenen Fachgebieten gibt, die die neue Theorie plausibel erscheinen lassen – sollte sie sich als zutreffend erweisen, hätte sie offensichtlich weitreichende Konsequenzen für die öffentliche Gesundheit. Die Forschenden betonen, dass ihre Hypothese gewagt ist und viele der beteiligten Mechanismen noch unbekannt sind. "Wir wissen immer noch nicht, in welchen Fällen diese Form der Übertragung zunimmt oder ob auch ein gesunder Zustand übertragen werden kann", sagt Mitautorin Maria Gloria Dominguez-Bello, Professorin an der Rutgers University in New Jersey. "Wir brauchen mehr Forschung, um die mikrobielle Übertragung und ihre Auswirkungen zu verstehen", so Dominguez-Bello weiter.
Dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen einem gestörten Mikrobiom und vielen Krankheiten besteht, steht jedoch heute außer Frage. Wie das Mikrobiom mit anderen Einflüssen, zum Beispiel bestimmten Umweltbedingungen und genetischen Faktoren bei der Übertragung verschiedener Krankheiten zusammenwirkt, sollen weiterführende Forschungsarbeiten erweisen. "Die neue Hypothese macht klar, dass wir Störungen der mikrobiellen Besiedlung des Körpers viel stärker als bisher als Krankheitsursache in Betracht ziehen und auch die potenziellen Übertragungswege näher erforschen müssen", betont Bosch. "Dieser Aspekt wird in den kommenden Jahren einer der Schwerpunkte unserer Arbeit in unserem Metaorganismus-Sonderforschungsbereich sein", so Bosch weiter.
Neue Hypothese Krebs von Mensch zu Mensch übertragbar? Forscher verblüfft mit Mikrobiom-These Bisher gilt: Krankheiten wie Krebs, Diabetes, Herzleiden und Adipositas werden nicht durch Bakterien oder Viren ausgelöst und darum auch nicht auf andere Menschen übertragen. Doch jetzt glauben Forscher, dass diese Leiden womöglich doch von Mensch zu Mensch weitergegeben werden - durch winzige Organismen im Körper.
ZitatÜbertragung durch Mikrobiom Die Forscher führen Belege an, die ihrer Meinung nach dafür sprechen, dass viele als nicht-übertragbar eingestufte Krankheiten womöglich doch von Mensch zu Mensch weitergegeben werden.
Und damit im weitesten Sinne ansteckend sind. Nicht durch eine Infektion wie etwa bei einer Grippe. Sondern über das Mikrobiom übertragen werden.
Dazu muss man wissen: Als Mikrobiom bezeichnet man all die Billionen Mikroorganismen, die es in unserem Körper gibt - auf der Haut, in den Organen. Meist sind es winzigste Bakterien, doch auch Pilze und Viren zählen zu diesen Mikroben.
Sie sind für die Gesundheit des Menschen enorm wichtig: Sie helfen bei der Verdauung, setzen Nährstoffe frei oder bauen Giftstoffe ab.
Mikroben spielen im Körper wichtige Rolle "Kein Winkel unserer Biologie bleibt von ihnen unberührt", so fasst etwa Ed Yong in seinem Mikrobiom-Buch "Winzige Gefährten" die entscheidende Rolle des menschlichen Mikrobioms zusammen.
In allen Ecken unseres Körpers mischen demnach Mikroben mit. Im Guten wie im Schlechten.
Möglicherweise ist die mikrobielle Besiedlung des menschlichen Körpers auch ganz zentral an der Übertragung von Krankheiten wie Adipositas, Herz- und Kreislaufleiden, Diabetes und Krebs beteiligt, so die Hypothese der Wissenschaftler, deren Forschungsarbeit jetzt im Wissenschaftsjournal "Science" erschienen ist.
Das würde bedeuten, dass wir die Gesundheit von uns nahestehenden Menschen beeinflussen, indem wir diese Bakterien - und damit die Krankheiten, bei denen sie eine entscheidende Rolle spielen - auf sie übertragen.
Darauf basiert Theorie der Forscher "Wenn sich unsere Hypothese als richtig herausstellt, wird sie unsere Auffassung der öffentlichen Gesundheit völlig neu definieren", sagt Mikrobiologie-Professor Brett Finlay.
Die Vermutung der Forscher basiert demnach auf drei unterschiedlichen Erkenntnissen, die sie in ihrer Theorie miteinander verknüpfen:
1) Verändertes Mikrobiom So konnten sie zeigen, dass das Mikrobiom bei Menschen, die unter Adipositas, entzündlichen Darmerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Typ-2-Diabetes leiden, im Vergleich zum Mikrobiom gesunder Menschen "deutliche Veränderungen zeigt".
2) Mikrobiom kann gesunden Körper krank machen Außerdem fanden sie im Labor Belege dafür, dass ein derart verändertes Mikrobiom auch im gesunden Körper zu Krankheiten führen kann, wenn es auf diesen ursprünglich gesunden Organismus übertragen wird. Im Experiment übertrugen die Forscher etwa das Darm-Mikrobiom einer fettleibigen Maus auf ein gesundes Tier. In der Folge wurde es ebenfalls übergewichtig.
3) Mikrobiom kann übertragen werden Zudem wiesen sie nach, dass ein Mikrobiom tatsächlich auf andere Organismen übertragen werden kann. So konnten die Forscher im Labor beobachten, dass sich das Mikrobiom von Süßwasserpolypen anglich, die einen gemeinsamen Lebensraum teilten. In der Folge passte sich auch ihre äußere Erscheinungsform an.
Von Mensch zu Mensch "Wir konnten nachweisen, dass dabei die Mikroben direkt von einem Individuum zum anderen gelangen", sagt Thomas Bosch, Mitautor der Studie.
Mehr noch: "Möglicherweise findet diese Übertragung des Mikrobioms auch beim menschlichen Zusammenleben statt, zum Beispiel durch intensive soziale Kontakte oder in gemeinsamen Wohnungen", so der Kieler Professor.
Ehepartner tauschen Mikroben aus - auch Krankheiten? So fanden die Forscher heraus, dass die Darm-Mikroben von Ehepartnern einander sehr ähnlich waren - während es größere Unterschiede gab zu entfernt lebenden Verwandten.
"Wenn man diese Fakten zusammenfasst, legt das die Vermutung nahe, dass viele traditionell nicht als übertragbar eingestufte Krankheiten vielleicht doch übertragbar sind", sagt Brett Finlay.
Mensch als Metaorganismus Das Mikrobiom bestimmt unser Selbst Der Mensch beherbergt mehr Mikroben als er eigene Körperzellen hat und wird stark von diesem Mikrobiom beeinflusst. Er muss daher immer als eine Lebensgemeinschaft – als ein Metaorganismus – angesehen werden, machte Professor Dr. Thomas Bosch auf dem Fortbildungskongress Pharmacon in Schladming deutlich.
ZitatMan beginne erst jetzt, die vielen Funktionen zu verstehen, die das Mikrobiom erfüllt. Es interagiert mit dem Immunsystem und kommuniziert auch mit dem zentralen Nervensystem. So helfe es zum Beispiel auch, Pathogene zu verdrängen, was unter anderem daran zu erkennen sei, dass Mundsoor entsteht, wenn lokale Antibiotika im Mund angewendet werden. Außerdem schützt eine gesunde Hautflora zum Beispiel vor Infektionen mit Haemophilus ducreyi, dem Erreger der Geschlechtskrankheit Ulcus molle (weicher Schanker). In Tieruntersuchungen habe man jetzt auch gezeigt, dass ein natürliches Mikrobiom vor der Entstehung von Tumoren schützen kann, berichtete der Biologe. Bei allen Erkrankungen müsse man metaorganistisch denken und das Mikrobiom miteinbeziehen, forderte er.
Das gelte auch für die sogenannten nicht übertragbaren Erkrankungen. Zu diesen gehören etwa chronisch-entzündliche, neurodegenerative, stoffwechselbedingte und Autoimmunerkrankungen. Diese haben in den vergangenen 50 Jahren deutlich zugenommen. Beispiele hierfür sind Diabetes, Adipositas und Allergien. Eine wichtige Ursache für diese Zunahme sehen Bosch und andere Forscher auch in Störungen des Mikrobioms. Die Artenvielfalt der Mikroben nimmt in der industrialisierten Welt durch verschiedene Faktoren ab. »Die Koevolution ist in Gefahr«, sagte Bosch, »vor allem durch den Einsatz von Antibiotika.«
Dabei könnten Störungen des Mikrobioms nicht nur durch ungünstige Lebensverhältnisse entstehen, sondern bei Lebensgemeinschaften auch von Mensch zu Mensch übertragen werden. Diese Hypothese stellte Bosch zusammen mit seinem Kollegen Dr. Brett Finlay in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals »Science« auf (DOI: 10.1126/science.aaz3834). Damit hätte zumindest ein Teil der nicht übertragbaren Erkrankungen eine übertragbare Komponente.
Die Begründung: In Tierversuchen lassen sich durch Transplantation von ungünstigen Darmmikrobiota auf andere Tiere Krankheiten in diesen induzieren. Auch beim Menschen ist eine solche Übertragung mittels Transplantation möglich und wird bereits als fäkale Mikrobiota-Transplantation genutzt - allerdings zu therapeutischen Zwecken.
Ein Hinweis darauf, dass Mikroben bei engen sozialen Zusammenhängen ausgetauscht werden könnten, ist, dass Ehepartner und Menschen, die eine Wohnung teilen, ähnlichere Mikrobiome haben, als Geschwister, die nicht zusammenleben. Die übertragenen schädlichen Bakterien könnten dann zu Störungen der Darmmikrobiota beim Mitbewohner führen und bei diesem Krankheiten verursachen, so die Hypothese. So haben Ehepartner von Patienten mit Typ-2-Diabetes innerhalb des ersten Jahres nach Diagnosestellung ebenfalls ein erhöhtes Risiko, Diabetes zu entwickeln, heißt es in der Publikation. Ob sich diese Zusammenhänge aber auf die Übertragung von Mikroorganismen zurückführen lassen oder auf die gemeinsamen Lebensgewohnheiten, die Paare haben, gilt es noch zu belegen. Bosch ist aber von der Bedeutung des Mikrobioms für die Gesundheit des Menschen überzeugt: »Wir müssen den Mensch als Teil eines multiorganischen Netzwerks verstehen.«
Antibakterielle Wirksamkeit Psychopharmaka auf Abwegen Zwischen Infektionen und psychischen Erkrankungen kann ein direkter Zusammenhang bestehen. Behandelt man die Infektion mit einem Antibiotikum, kann sich daher auch der psychische Zustand des Patienten verändern. Wenig beachtet ist bisher, dass auch Psychopharmaka antibiotisch wirken können. https://www.pharmazeutische-zeitung.de/p...ka-auf-abwegen/
Wie E-Zigaretten die Mundflora verändern Dampf begünstigt entzündungsfördernde Bakterien und Biofilme Unguter Effekt: E-Zigaretten beeinflussen die Bakterien im Mund auf ungesunde Weise, wie US-Forscher herausgefunden haben. Demnach bilden die Bakterien verstärkt hartnäckige Biofilme und verändern ihre Artzusammensetzung ähnlich wie bei Menschen mit chronischer Zahnfleischentzündung. Auslöser dafür ist aber nicht das Nikotin, sondern andere Inhaltsstoffe der Vaping-Liquids, wie die Forscher im Fachmagazin „Science Advances“ berichten. https://www.scinexx.de/news/medizin/wie-...ora-veraendern/
E-Zigaretten verändern die Mundflora E-Zigaretten sind im Trend, denn sie gelten als weniger schädliche Alternative zur normalen Zigarette. Doch die Verdampfer haben auch Nebenwirkungen – unter anderem auf die Bakterienflora in unserem Mund, wie nun Forscher herausgefunden haben. Demnach verändert sich die Artenzusammensetzung dieser Mundmikroben mit dem Dampfen und sie bilden vermehrt schleimige Biofilme. Insgesamt ähnelte die Mundflora gesunder junger Probanden dadurch nach kurzer Zeit der von Patienten mit einer Zahnfleischentzündung, wie die Forscher berichten. Auch erste entzündliche Immunreaktionen waren nachweisbar. https://www.wissenschaft.de/gesundheit-m...-die-mundflora/
Mikrobiom der Lunge Als Mikrobiom werden die natürlich vorkommenden Keime im und am menschlichen Körper bezeichnet. Über das Mikrobiom des Darms und die sogenannte Darm-Hirn-Achse ist schon einiges bekannt. Bei der Lunge hingegen dachte man lange Zeit, dass die Oberfläche weitestgehend steril ist und nur von einzelnen Bakterienstämmen besiedelt wird. Die Muster des Mikrobioms der Lunge unterscheiden sich stark von denen des Darms. Bestimmte Krankheiten – darunter Asthma und COPD – können das Gleichgewicht der Keimbesiedlung stören. Auch Medikamente wie Corticosteroide und Antibiotika haben einen Einfluss auf die Art der Besiedlung. Ein Abstrich aus dem Mund-Rachen-Raum oder der Nase lässt keine Rückschlüsse auf das Mikrobiom der Lunge zu.
ZitatJahrelang lernten Medizinstudenten, dass das Organ quasi steril sei. Mittlerweile weiß man, dass die Lunge ebenfalls von einem Mikrobiom besiedelt ist, welches verschiedene Aufgaben übernimmt. Die Keime scheinen in Verbindung mit anderen Organen zu stehen. Die gesamten Funktionen des Lungenmikrobioms sind noch nicht abschließend geklärt – wissenschaftliche Untersuchungen zu dem Thema sind im Vergleich noch sehr jung.
Das gewisse Erkrankungen das Mikrobiom stören können, ist mittlerweile nachgewiesen. Aber auch das Gegenteil wird untersucht: Erste Analysen legen beispielsweise nahe, dass das Mikrobiom ein mitwirkender Auslöser für COPD sein könnte. Bei dieser Erkrankung konnte auch gezeigt werden, dass die Zusammensetzung der Lungenflora mit Exazerbationen zusammenhängt.
2017 zeigte eine Arbeitsgruppe um Alexander Dalpke, dem stellvertretenden ärztlichen Direktor der Abteilung medizinische Mikrobiologie und Hygiene des Universitätsklinikums Heidelberg, dass eine Infektion mit Pseudomonas aeruginosa das Mikrobiom in der Lunge von Patienten mit zystischer Fibrose verändert – unabhängig vom Alter. Ebenfalls interessant: Die Forscher konnten zeigen, dass das Mikrobiom der Lunge aus mehr als 100 verschiedenen, für jeden Patienten individuellen Keimarten bestehen kann. Die Forscher wollten wissen, ob das Mikrobiom Auslöser für die krankhafte Besiedlung war, oder ob die krankhafte Besiedlung dazu führte, dass sich die Flora veränderte. Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss: „Unsere Befunde zeigen, dass Mikrobiom-Veränderungen die Folge, nicht aber die Ursache einer Infektion mit dem Bakterium Pseudomonas aeruginosa sind“, erläuterte Dalpke.
Der Krankheitsverlauf von Intensivpatienten scheint sich anhand des Lungenmikrobioms besser einschätzen zu lassen.
ZitatHospitalisierte Patienten, die einen Tag nach der Aufnahme auf die Intensivstation eine höhere pulmonale Bakterienlast aufwiesen, mussten innerhalb der fortschreitenden Therapie häufiger beatmet werden, als die Patienten mit einer ausbalancierten Bakterienlast. Hierbei war es egal, ob die Patienten eine Pneumonie aufwiesen oder nicht. Die Analyse des Lungenmikrobioms ließ Rückschluss auf das Therapieergebnis (Outcome) zu.
Die Auswertung der Flora konnte unter anderem zeigen, dass zwei Bakterienstämme, die normalerweise im Darm vorkommen – Lachnospiraceae und Enterobacteriaceae – im Lungenmikrobiom von Patienten mit schlechterem Outcome häufiger gefunden wurden. Ein spezieller Keim wurde mit dem akuten Atemnotsyndrom (ARDS) in Verbindung gebracht, hierbei handelt es sich um das Bakterium Enterobacteriaceae.
Dadurch, dass bei der künstlichen Beatmung ein großer Teil des physiologischen Vorgangs übergangen wird, ist es wichtig, dass das zu inhalierende Gas angewärmt und angefeuchtet wird. Das Atemgas muss vorab gereinigt, auf maximale Luftfeuchtigkeit angefeuchtet und auf ungefähr 37 Grad angewärmt werden. Ohne die vorherige Atemgasklimatisierung nimmt die Zilienarbeit ab, die Folge ist eine gestörte mucoziliäre Clearance, die wiederrum zu einer pathologischen Keimbesiedlung in den Bronchien führen kann.
Darm-Lungenachse Nachdem zahlreiche Forscher bereits über Funktionen der Darm-Hirn-Achse berichtet haben, gibt es erste Annahmen, dass auch eine Darm-Lungen-Achse existiert. In Bezug auf das neuartige Coronavirus nehmen einige Mediziner an, dass Veränderungen im Lungenmikrobiom auch zu Veränderungen im Darmmikrobiom führen könnten. Eventuell könnte hierdurch das Symptom Durchfall bei Covid-19 erklärt werden. Weitere Analysen und Studien zu Sars-CoV-2 könnten auch Aufschluss über die Darm-Lungenachse geben.
Verdauungsapparat: Wie Viren unseren Darm beherrschen Im menschlichen Verdauungstrakt tummeln sich neben Bakterien unzählige Viren - die meisten davon sind nützlich. Sie könnten den Stoffwechsel beeinflussen und das Immunsystem verbessern.
ZitatAn die Vorstellung, dass der Mensch Myriaden gutartiger Bakterien in seinem Darm beherbergt, dürften sich die meisten gewöhnt haben. So gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass Störungen im so genannten Mikrobiom bei der Entstehung von Darmkrankheiten, Allergien, Übergewicht, nichtalkoholischer Fettleber und möglicherweise auch psychischen Krankheiten eine Rolle spielen. Doch die Erforschung der Darmflora und ihrer Bedeutung für die menschliche Gesundheit bringt noch zahlreiche andere Mikroorganismen zu Tage: Im Magen-Darm-Trakt mit seiner Oberfläche von mehr als 200 Quadratmetern tummeln sich neben Bakterien auch Archaeen, Viren und Pilze – rund 30 bis 400 Trillionen Mikroben sollen es sein.
Vor allem was Viren im Verdauungstrakt suchen, wird derzeit intensiv ergründet, befeuert von so genannten metagenomischen Methoden, bei denen sämtliche Genschnipsel in einer Probe beäugt werden. Erstaunlicherweise wird dabei immer klarer, dass zahlreiche Viren im Darm dem Menschen nichts Böses wollen wie etwa Noro-, Zika-, oder HI-Viren, sondern vielmehr in friedlicher Eintracht mit ihm leben. Die Schätzungen, wie viele einzelne Viren den menschlichen Verdauungstrakt bevölkern, schwanken zwischen 1014 und 1015. Letzteres entspräche dem Zehnfachen von Bakterien. Aber: Es könnten natürlich noch viel mehr sein. Denn bei den Analysen werden immer lediglich diejenigen Erbgutstücke entdeckt, die in Datenbanken aufgezeichnet sind – bislang kennt man nur rund 500 Arten. "Was man nicht kennt, findet man auch nicht", erklärt Jason Norman, Gastroenterologe an der Washington University.
Mikrobiom: Nützliche Viren im Darm Bestimmte Viren sind in der Lage, die unterstützende Rolle von Darmbakterien in Säugetieren zu übernehmen. Viren müssen also nicht immer gefährlich sein – sie könnten sogar die Gesundheit ihres Wirts fördern.
ZitatEine reiche Vielfalt an Mikroorganismen, darunter Bakterien, Archaebakterien, Pilze und Viren, bevölkert den Verdauungstrakt von Säugetieren. Darmbakterien nutzen dem Wirt, indem sie ihn bei der Nahrungsverwertung unterstützen, die Entwicklung von Immunzellen vorantreiben und vor Schädigungen schützen. Es ist jedoch unklar, ob andere Teile des Mikrobioms eine ähnliche Rolle übernehmen. Viren sind dabei noch relativ wenig erforschte Mitglieder der mikrobiellen Darmflora. Im Säugetierdarm gelten sie generell eher als gesundheitsschädlich. Doch kürzlich hat Elisabeth Kernbauer von der New York University School of Medicine zusammen mit ihren Kollegen gezeigt: In Abwesenheit von Darmbakterien fördern Säugerviren die Homöostase, also die Aufrechterhaltung eines gesunden Gleichgewichts im Verdauungstrakt, und schützen ihn vor Schädigungen sowie Krankheitserregern. Viren im Säugetierdarm könnten also dem Wirt in manchen Fällen durchaus nützen.
Buchkapitel: Neuer Forschungsansatz: Nützliche Viren im Darm Bestimmte Viren sind in der Lage, die unterstützende Rolle von Darmbakterien in Säugetieren zu übernehmen. Viren müssen also nicht immer gefährlich sein – sie könnten sogar die Gesundheit ihres Wirts fördern. https://link.springer.com/chapter/10.100...-662-61464-8_26
Das Mikrobiom Entscheidender Faktor für die Personalisierte Medizin der Zukunft Im Jahr 2007 begann im Rahmen des ame-rikanischen Human Microbiome Projects und des europäischen MetaHIT*-Projekts die intensive und systematische Erforschung des „Mikrobioms“ mittels „Next Generation Sequencing“. Seitdem sind über 38 000 Pub-likationen zur Thematik in hochrangigen wissenschaftlichen Zeitschriften erschienen. Heute wissen wir: Der menschliche Körper beherbergt auf allen äußeren und inneren Oberflächen komplexe mikrobielle Ökosys-teme, auch in Bereichen, die früher als steril galten. Die meisten dieser Studien hatten den Einfluss der Darmbakterien, der sogenann-ten gastrointestinalen Mikrobiota, auf ver-schiedene Erkrankungen des Menschen zum Inhalt. Basierend auf Erkenntnissen, dass intestinale Mikroorganismen die Darmbarri-ere, den Stoffwechsel, und das Immunsystem des Wirts entscheidend beeinflussen, ist die gezielte Modulation des menschlichen Mikro-bioms ein vielversprechender Ansatzpunkt in der Prävention und Therapie zahlreicher Erkrankungen. https://www.roche.de/res/literatur/984/D...e3c2d2e5299.pdf
Mikrobiom: Latrinen konservieren Darmflora des Mittelalters Stuhluntersuchung nach sechs Jahrhunderten: Wie eine Darmflora vor Fast Food und Co aussah, lässt sich offenbar aus dem Sediment zweier mittelalterlicher Latrinen lesen.
ZitatLebensstil und Ernährung haben einen deutlichen Einfluss auf die Mikrobengemeinschaft in unseren Därmen – und zwar nicht unbedingt einen positiven. So werden Veränderungen der Darmflora beispielsweise mit Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht in Verbindung gebracht. Fragt sich nur: Wie sieht eine »natürliche« Darmflora überhaupt aus? Auf der Suche nach Antwort nehmen Wissenschaftler beispielsweise Stuhlproben bei Naturvölkern, deren Lebensstil mutmaßlich dem ursprünglich menschlichen eher entspricht als der des gemeinen Europäers.
Nun haben sich Forscher noch eine weitere Quelle erschlossen: Wie sie in den »Philosophical Transactions of the Royal Society B« schildern, vermittelt auch der Griff ins mittelalterliche Klo einen Eindruck von einer natürlicheren Darmflora. Forscher um Susanna Sabin vom Max-Planck-Institut für die Geschichte der Menschheit in Jena suchten dazu in Sedimenten zweier Latrinen aus dem 14. und 15. Jahrhundert nach der DNA typischer darmbewohnender Bakterien. Die Latrine aus Riga
ZitatEine erste Zwischenbilanz kann das Team schon ziehen: Die Mikrobiome aus Riga und aus Jerusalem hätten gewisse Gemeinsamkeiten gehabt, sowohl mit der Darmflora moderner Jäger-und-Sammler-Gemeinschaften als auch mit dem von Menschen in Industrieländern. »Aber sie waren besonders genug, um ihre eigene Gruppe zu bilden«, sagt Sabin. »Wir kennen keine moderne Quelle, die dieselbe mikrobielle Zusammensetzung aufweist.«
Frühe Gabe von Antibiotika kann Folgen haben Antibiotikaeinnahme im Kleinkindalter könnte Risiko für Asthma, Allergien und ADHS erhöhen Späte Nebenwirkung: Bekommen schon Kleinkinder Antibiotika, könnte dies später ihr Risiko für eine Reihe von Erkrankungen erhöhen, wie eine Studie nun nahelegt. Demnach sind die Betroffenen anfälliger für Allergien, Asthma oder Neurodermitis, aber auch für neurophysiologische Störungen wie ADHS. Eine mögliche Ursache für diesen Effekt könnte die Störung der frühkindlichen Darmflora sein, wie die Forscher berichten.
ZitatAntibiotika sind wichtige Waffen gegen bakterielle Infektionen – schaden aber gleichzeitig auch unserer Darmflora. Denn sie beseitigen nicht nur Krankheitserreger, sondern auch die nützlichen Helfer im Mikrobiom, die unser Immunsystem und unser Gehirn stärken, die Verdauung regeln und sogar unsere Stimmung beeinflussen.
Studien deuten zudem daraufhin, dass die Einnahme von Antibiotika gerade für Kleinkinder langfristige Folgen haben kann: Weil die Darmflora in unseren ersten Lebensjahren heranreift, kann sie in dieser Phase leicht aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Dies wiederum kann zum Beispiel Allergien oder Asthma fördern.
Welche Folgen haben frühkindliche Antibiotikagaben? Während frühere Studien die Auswirkungen von Antibiotika nur auf einzelne Krankheiten untersuchten, hat nun ein Forscherteam um Zaira Aversa von der US-amerikanischen Mayo Clinic erstmals den Zusammenhang der bakterientötenden Mittel mit einer Vielzahl an potenziell mit der Darmflora verknüpften Krankheiten erforscht. Dabei ermittelten die Wissenschaftler etwa das Risiko für Störungen der Verdauung, des Immunsystems und auch des Verhaltens.
Sie untersuchten dafür die Gesundheit von 14.500 Kindern, die zwischen 2003 und 2011 in den US-Bundesstaaten Minnesota und Wisconsin geboren wurden. 70 Prozent der Mädchen und Jungen hatten in ihren ersten beiden Lebensjahren mindestens ein Antibiotikum erhalten – hauptsächlich gegen Infektionen der Atemwege oder der Ohren. Die Forscher verglichen, ob diese Kinder später häufiger an Asthma und Allergien, Neurodermitis, ADHS, Übergewicht oder Zöliakie litten als nicht mit Antibiotika behandelte Kinder.
Höheres Risiko für immunologische Erkrankungen Das Ergebnis: „Wir stellten fest, dass Kinder, die in den ersten zwei Lebensjahren mit gängigen Antibiotika wie Penicillin, Cephalosporinen und Macroliden behandelt wurden, mit höherer Wahrscheinlichkeit Asthma und allergischen Schnupfen entwickelten“, berichten Aversa und ihre Kollegen. Auch das Risiko für Neurodermitis, Nahrungsmittelallergien und Zöliakie war signifikant erhöht.
Dabei erhöhte sich das Risiko dosisabhängig, wie die Forscher berichten: Je häufiger und höherdosiert die Kinder Antibiotika erhalten hatten, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass sie später an einer oder mehrerer dieser Erkrankungen litten. „Wir vermuten, dass die Antibiotika solche Immunkrankheiten durch eine Störung des Mikrobioms während einer entscheidenden Entwicklungsphase fördern“, sagen die Wissenschaftler.
Dazu passt, dass insbesondere Verschreibungen innerhalb der ersten sechs Lebensmonate das Risiko für Spätfolgen erhöhten. Daraus schließen die Forscher, dass eine frühe Schädigung des Mikrobioms im Darm dauerhaft bestehen bleiben kann – auch lange nach der Einnahme des Antibiotikums.
Möglicher Einfluss auch auf neurophysiologische Störungen Neben den Immunerkrankungen könnte die frühe Antibiotikagabe aber auch neurophysiologische Folgen haben, denn auch dafür wird ein Zusammenhang mit dem Mikrobiom diskutiert. „Wir haben signifikante Zusammenhänge zwischen Antibiotikaeinnahmen in den ersten beiden Lebensjahren und ADHS bei beiden Geschlechtern festgestellt“, berichten Aversa und ihr Team. „Zudem beobachteten wir ein signifikant erhöhtes Risiko für Autismus und Lernstörungen, aber nur nach Gabe von Cephalosporinen.“
Nach Ansicht der Forscher könnte dies erklären, warum einige frühere Studien ebenfalls einen Zusammenhang zwischen früher Antibiotikagabe und neurophysiologischen Entwicklungsstörungen festgestellt hatten, andere aber nicht: In vielen Studien wurde bisher nicht zwischen den Antibiotikaklassen unterschieden. Es sei daher sinnvoll, künftig die spezifischen Folgen der einzelnen Antibiotikaklassen näher zu untersuchen.
Antibiotika nur, wenn unbedingt nötig Wie die Forscher betonen, zeigen ihre Ergebnisse zunächst nur Korrelationen, beweisen aber noch keinen ursächlichen Zusammenhang. Dennoch halten sie es für plausibel, dass die frühe Störung des Mikrobioms durch Antibiotika solche langfristigen Folgen nach sich ziehen kann. „Die zunehmende Häufigkeit von Erkrankungen, die bereits in der Kindheit beginnen, löst Besorgnis hinsichtlich der Antibiotika-Einnahmen während wichtiger Entwicklungsphasen aus“, sagt Koautor Martin Blaser von der Rutgers University in New York.
„Die Ergebnisse sollten die Praxis der Ärzte in Bezug auf die Häufigkeit der Verschreibung von Antibiotika verändern, insbesondere bei leichten Erkrankungen“, so Blaser weiter.
Viren können nicht nur schaden, sondern auch helfen Das menschliche Virom besteht aus 380 Billionen Viren. Einige schlummern über Jahre hinweg im Körper, um dann entweder anzugreifen oder zu schützen. So können Menschen sie nutzen.
Zitat2020 haben Millionen von Menschen weltweit ihre Lebensweise radikal geändert, um den Kontakt mit anderen Menschen zu vermeiden und die Corona-Pandemie zu stoppen. Trotzdem sind viele an verschiedenen Virusinfektionen erkrankt. Wie kann das sein? Es wird immer klarer, dass viele Viren still im menschlichen Körper lauern, versteckt in Zellen in der Lunge, im Blut und in den Nerven, bevor sie irgendwann aktiv werden.
Biologen schätzen, dass derzeit 380 Billionen Viren auf und im menschlichen Körper leben – zehnmal mehr als Bakterien. Einige können Krankheiten verursachen, aber viele koexistieren einfach mit uns. Ende 2019 zum Beispiel entdeckten Forscher an der University of Pennsylvania 19 verschiedene Stämme des Redondovirus in den Atemwegen; einige davon stehen mit Parodontal- oder Lungenerkrankungen in Verbindung, andere hingegen könnten möglicherweise Atemwegserkrankungen verhindern. Die aktuelle Forschung zeigt zunehmend, dass Menschen nicht in erster Linie aus »menschlichen« Zellen bestehen, in die gelegentlich Mikroben eindringen. Der Körper ist in Wirklichkeit ein Superorganismus aus Zellen, Bakterien, Pilzen und vor allem Viren. Studien zufolge ist möglicherweise die Hälfte aller biologischen Materie in unserem Körper nicht menschlich.
Noch vor zehn Jahren war den Forschern kaum bewusst, dass das menschliche Virom überhaupt existiert. Heute sehen wir es als integralen Bestandteil des größeren menschlichen Mikrobioms: passive und aktive mikroskopische Organismen, die fast jeden Winkel von uns besetzen. Wir kartografieren das Virom seit zehn Jahren, und je genauer wir es untersuchen, desto mehr stellt sich heraus, dass wir mit ihm eine Partnerschaft eingegangen sind, die unser tägliches Leben sowohl positiv als auch negativ beeinflussen kann.
Neuere Forschungen zeigen, dass wir das Virom sogar zur Förderung unserer eigenen Gesundheit nutzen könnten. Forscher der Rockefeller University haben zum Beispiel ein Enzym eines Virus genutzt, um Bakterien abzutöten, die bei Patienten gefunden wurden, die gegen eine methicillinresistente Staphylokokkeninfektion kämpfen.
ZitatObwohl es noch lange dauern wird, bis wir das menschliche Virom entschlüsseln können, ist es beeindruckend, wie weit wir in nur zehn Jahren gekommen sind. Vor einem Jahrzehnt haben viele Wissenschaftler das Mikrobiom als eine Art passive Schicht winziger Organismen im Körperinneren betrachtet. Heute wissen wir, dass sich zumindest ein Teil davon stetig verändert. Und es sieht derzeit danach aus, als seien die Viren die dynamischsten Akteure.
Im Jahr 2018 untersuchten Forscher Hirngewebe, das von Menschen gespendet wurde, die an Alzheimer gestorben waren. Sie fanden eine hohe Konzentrationen von Herpesviren. Im Mai 2020 infizierten Forscher der Tufts University und des Massachusetts Institute of Technology im Labor hergestelltes hirnähnliches Gewebe mit Herpes simplex 1. Das Gewebe entwickelte amyloide plaqueähnliche Formationen, ähnlich denen, die das Gehirn von Menschen mit Alzheimerkrankheit aufweisen. Es ist beeindruckend, dass wir jetzt neue Rollen von alten Viren entdecken.
Wenn wir weiter suchen, finden wir hoffentlich neue Kategorien von Viren, die sich auf die menschliche Gesundheit auswirken, sowie neue Möglichkeiten, Viren zur Manipulation unseres Mikrobioms und zum Schutz vor Krankheiten zu nutzen.
viele Mikroorganismen sind uns überhaupt nicht "feindlich" gesonnen und wir können sie zur Abwehr nutzen, wenn wir unser Immunsystem ausreichend stärken.
Neandertaler-Fäkalien: Auch im Darm typisch menschlich 50 000 Jahre alt sind die ältesten Stuhlproben der Gattung Homo, gefunden unweit von Alicante. Welche Bakterien den Darm des Neandertalers bevölkerten, zeigt nun eine DNA-Studie.
ZitatIn den Därmen der Neandertaler lebten vermutlich schon dieselben Bakterien wie bei uns heutigen Menschen – genauer gesagt wie bei jenen modernen Menschen, deren mikrobielle Vielfalt im Darm noch nicht durch die westliche Lebensweise geschrumpft ist. Das geht aus einer Studie hervor, für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Simone Rampelli und Silvia Turroni von der Universität Bologna Fäkalien des Neandertalers auf genetische Überreste der einst darin enthaltenen Bakterien untersucht haben.
ZitatEine Vielzahl der dort entdeckten Bakterienarten kommen als nützliche Bewohner auch im Darm des modernen Menschen vor, darunter Blautia, Dorea, Roseburia, Ruminococcus, Faecalibacterium und Bifidobacterium. Das spricht nach Ansicht der Fachleute dafür, dass diese Bakterien bereits den Darm des letzten gemeinsamen Vorfahren von Homo heidelbergensis und Homo sapiens bevölkerten, der vor ungefähr 700 000 Jahren lebte. In den Proben von El Salt fanden sie auch jene Bakteriengattungen, die zu den »old friends«, den alten Freunden, des Menschen gezählt werden. Sie sollen den Menschen schon seit langer Zeit begleiten und für eine Vielzahl von förderlichen Effekten auf die Gesundheit verantwortlich sein.
Ziel der Wissenschaftler war es auch, mehr über das ursprüngliche Darmmikrobiom des Menschen herauszufinden. Bei Untersuchungen hatte sich gezeigt, dass dessen Vielfalt in vielen westlichen Ländern abnimmt. Die Gründe dafür vermuten Fachleute in der Ernährung mit hoch verarbeiteten Lebensmitteln, einer übersteigerten Hygiene und Nebenwirkungen von Medikamenten. Wie eine Mikrobengemeinschaft aussehen könnte, die weniger stark durch diese Effekte beeinflusst wurde, verraten beispielsweise Untersuchungen an Menschen, die Jäger-und-Sammler-Gesellschaften angehören oder indigenen bäuerlichen Gemeinschaften Südamerikas. Neandertalerfäkalien erlauben in diesem Sinn einen Blick von außen auf das Homo-sapiens-Mikrobiom, so die Forscherinnen und Forscher.
Die Pilze des Mikrobioms brauchen nach Antibiotikagabe 3 mal länger als die Bakterien, um sich wieder zu erholen!
Bakterien erholen sich schneller als Pilze Antibiotika stören Mikrobiom nachhaltig Dass Antibiotika die Bakterien des Darm-Mikrobioms durcheinanderwirbeln, leuchtet ein. Doch auch das Mykobiom, die Pilze unseres Mikrobioms, beeinflusst eine Antibiose: Aus friedlichem Miteinander entwickelt sich Konkurrenz. Außerdem scheint einer Studie des Leibniz-Instituts zufolge der störende Effekt einer Antibiose auf Pilze sogar langfristiger zu sein als auf Bakterien: Die Bakterienflora erholte sich innerhalb von 30 Tagen, Pilzspezies zeigten selbst nach 90 Tagen noch Veränderungen. Zudem fanden die Wissenschaftler, dass bestimmte Stoffwechselprodukte der Bakterien, kurzkettige Fettsäuren wie Propionsäure, sich positiv auf krankmachende Eigenschaften von Hefepilzen auszuwirken scheinen. https://www.deutsche-apotheker-zeitung.d...biom-nachhaltig
Das humane Mikrobiom und seine Bedeutung für die Zahnmedizin Die Mikroflora hat die Entwicklung höherer Lebewesen über Millionen von Jahren begleitet. Der menschliche Organismus ist nicht von seinem Mikrobiom zu trennen. Gemeinsam bilden sie einen „Superorganismus“ oder „Holobionten“. Auch die Mundhöhle beherbergt hochkomplexe mikrobielle Gemeinschaften. Störungen des Gleichgewichts im oralen Mikrobiom (Dysbiose) führen zu Erkrankungen wie Karies, Gingivitis und Parodontitis. Für die Zahnmedizin einerseits und die Patienten andererseits ist es gleichermaßen wichtig, ein symbiotisches, nicht-pathogenes Mikrobiom zu fördern und damit die Mundgesundheit wirksam zu unterstützen oder wiederherzustellen. Der zm-Fortbildungsteil „Mikrobiom“ soll einen aktuellen Überblick über unser Wissen zum oralen Mikrobiom präsentieren und zur Diskussion einer modernen oralen Gesundheitspflege beitragen.
ZitatDer Mensch ist kein autonomer Organismus, sondern stellt ein komplexes multi-zelluläres eukaryotisches System dar, das zahlreiche mikrobielle Symbionten, Noso-Symbionten und deren Genome beherbergt [Bordenstein und Theis, 2015]. Die Mikroorganismen in und auf dem menschlichen Körper können als ein funktionelles Organ betrachtet werden. Sie besitzen Bedeutung für physiologische Abläufe und letztendlich für die Gesundheit des Individuums. Die Anzahl der den menschlichen Körper besiedelnden Mikroorganismen übersteigt vermutlich die der eigenen Zellen [Sender et al., 2016].
ZitatDie mikrobielle Kolonisierung des menschlichen Individuums geschieht nicht zufällig. Die Aufnahme der Mikroorganismen erfolgt aus der näheren Umgebung, insbesondere aus der Familie. Die Beziehungen zwischen menschlichem Organismus und Mikrobiom haben sich im Laufe der Evolution über lange Zeiträume entwickelt. Das Mikrobiom hat die Entwicklung des Menschen begleitet und vice versa [Cornejo Ulloa et al., 2019]. Die Beziehung zwischen Mikrobiom und Individuum ist dynamisch und wird vom Lebensstil beeinflusst. Faktoren wie Ernährung, Rauchen und Stress können das Gleichgewicht dieses Ökosystems beeinflussen.
ZitatDas Orale Mikrobiom -100 Milliarden Bakterien -200 prädominierende Bakterienspezies -700–1.000 bakterielle Taxa -Kolonisation harter und weicher Oberflächen -interindividuelle Variabilität: Jedes Individuum besitzt sein eigenes orales Mikrobiom. große Diversität -orales Mikrobiom = „Fingerprint“
Die verschiedenen Mikrobiome des Menschen tragen zu wichtigen metabolischen, physiologischen und immunologischen Funktionen bei [Kilian et al., 2016; Donohoe et al., 2011; Krajmalnik-Brown et al., 2012; Relman, 2015]. Zu diesen Funktionen menschlicher Mikrobiome gehören:
-Differenzierung und Reifung von Schleimhäuten und ihrerImmunsysteme -Verdauung -Energiegewinnung -Stoffwechselregulation und Kontrolle der Fettspeicherung -Entgiftung -Unterstützung der Barrierefunktion von Haut und Schleimhäuten -Regulation des Immunsystems und Feinabstimmung seines Reaktionsmusters für ein Gleichgewicht zwischen pro- und antiinflammatorischen Prozessen -Behinderung der Invasion von und Kolonisierung durch Pathogene
Die Zusammensetzung des Mikrobioms zeigt eine hohe Diversität zwischen unterschiedlichen Körperregionen. Auch interindividuell sind die Mikrobiome hochvariabel [Costello et al., 2009]. Trotz dieser Unterschiede ist die Gesamtfunktion der Mikrobiome recht konsistent [Gillings et al., 2015]
ZitatSymbiose und Dysbiose Das orale Mikrobiom trägt sowohl zum lokalen oralen als auch zum allgemeinen Gesundheitszustand bei. Störungen können sich nachteilig auf die individuelle Gesundheit auswirken. Im Gegensatz zum gesunden, symbiotischen Mikrobiom liegt eine Dysbiose vor, wenn die Vielfalt der Keime reduziert und/oder die relativen Anteile von Spezies der mikrobiellen Gemeinschaft pathogen verändert sind [Valm, 2019].
In der gesunden Mundhöhle ist die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaften bemerkenswert stabil. Allerdings bleiben die Beziehungen zwischen dem oralen Mikrobiom und seinem Wirt stets dynamisch. So beeinflussen Veränderungen im Laufe des Lebens eines Menschen die mikrobiellen Gemeinschaften [Marsh et al., 2015]. Beispiele dafür sind physiologische Veränderungen während des Alterns oder hormonelle Veränderungen in der Pubertät und in der Schwangerschaft. Die Anpassung erfolgt oft mit dauerhafter, teils jedoch auch mit reversibler Beeinträchtigung der Mundgesundheit [Zaure und ten Cate, 2015]. Eine Störung des Ökosystems der Mundhöhle führt zu einer dysbiotischen Verschiebung hin zueinem höheren Anteil pathogener Mikroorganismen mit dem Verlust des Gleichgewichts oder der Diversität von mikrobiellen Gemeinschaften [Gross et al., 2010]. Die Dysbiose ist dabei keine „Infektionskrankheit“, sondern bezeichnet ein orales Mikrobiom im Zustand der Erkrankung.
ZitatSystemische Folgen der oralen Dysbiose Die Mundhöhle bietet den hier lebenden Mikroorganismen vielfältige Möglichkeiten, andere Körperregionen wie den Verdauungstrakt und die Atemwege zu erreichen. Im Fall inflammatorischer Prozesse oder in Folge von Verletzungen können Keime in Gewebe sowie in die Blutbahn gelangen.
Die Dysbiose im Rahmen von Parodontalerkrankungen kann den Auslöser einer Bakteriämie und der systemischen Verbreitung von oralen Bakterien darstellen. Eine effiziente Mundhygiene ist entscheidend für die Kontrolle der Gesamtbakterienlast [Forner et al., 2006; Han und Wang, 2013]. Komplexe Wechselbeziehungen zwischen dem oralen Mikrobiom und dem Immunsystem werden diskutiert und es wird angenommen, dass die orale Dysbiose bei der Entwicklung von Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, rheumatoider Arthritis, Lungenentzündung, ungünstigen Verläufen der Schwangerschaft, Schlaganfall, entzündlichen Darmerkrankungen und Darmkrebs, Meningitis oder Hirnabszessen, Lungen-, Leber- oder Milzabszessen, Nierenerkrankungen und der Blinddarmentzündung einen Beitrag leistet [Seitz et al., 2019]. Umgekehrt wird angenommen, dass systemische Erkrankungen wie Diabetes oder rheumatoide Arthritis das orale Mikrobiom beeinflussen [Han und Wang, 2013; Chapple und Genco, 2013; de Pablo et al., 2009]. Die Beteiligung einer Dysbiose des oralen Mikrobioms an der Entstehung der Adipositas wird diskutiert [Benahmed et al., 2020]. Die negative Beeinflussung des Typ-2-Diabetes und des Blutzuckerspiegels von Nichtdiabetikern durch die Parodontitis ist erwiesen. Hier besteht ein bidirektionaler Zusammenhang zwischen dem Schweregrad der Parodontitis und diabetischen Komplikationen [Sanz et al., 2018].
Trotz der starken Evidenz für einen Zusammenhang zwischen der mikrobiellen Besiedlung eines Menschen und seinem Gesundheitszustand sind die kausalen Mechanismen, die diesem Zusammenhang zugrunde liegen, nur unzureichend erforscht. Abhängig von der untersuchten Krankheit sind ähnliche Muster in der Dysbiose des Mikrobioms für verschiedene Körperregionen und Organsysteme bekannt. Dies führt zur Hypothese, dass es körperweite mikrobiell induzierte Stoffwechselwege geben muss, die durch mikrobiellen Organ-Cross-Talk miteinander verbunden sind [Cornejo Ulloa et al., 2019]. Systematische, groß angelegte Studien über das Organ-Cross-Talking menschlicher Mikrobiota sind noch nicht verfügbar. Mikrobiomstudien, die in bestehenden populationsbasierten Kohortenstudien mit Langzeit-Follow-up durchgeführt werden, sind notwendig, um das Konzept des mikrobiellen Cross-Talk zwischen verschiedenen Mikrobiom-Standorten des Körpers auf seine Rolle für die menschliche Gesundheit und Krankheit hin zu bewerten.
Schlussfolgerungen Die vielfältigen mikrobiellen Gemeinschaften, aus denen das orale Mikrobiom besteht, befinden sich in einem fein adjustierten Gleichgewicht und bieten Schutz vor Erkrankungen. Es ist wichtig, ihre natürliche Vielfalt zu erhalten. Der individuelle Lebensstil kann das natürliche Gleichgewicht des oralen Mikrobioms stören.
Mikrobiom Darmmikrobe macht Mäusemütter nachlässig „Darm-Hirn-Achse“ heißt das Schlagwort: Wie die Zusammensetzung der Mikrobengemeinschaften im Darm auch das Gehirn und Verhalten beeinflussen kann, verdeutlicht nun erneut eine Studie: Ein bestimmter Bakterienstamm veranlasst demnach Mäusemütter, ihre Jungen zu vernachlässigen. Die Ursache ist möglicherweise eine Beeinflussung des Serotonin-Systems, dessen Rolle bei Empfindungen bekannt ist. Auch wenn sich die Ergebnisse bisher nicht direkt auf den Menschen übertragen lassen, verdeutlichen sie doch grundlegend, wie komplex sich Darmmikroben auswirken können, sagen die Forscher. https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/262475/
Wie sich eine gesunde Lunge bei Kindern entwickelt MHH-Forschungsgruppe vergleicht erstmals bakterielle Besiedlung der Lunge bei Kindern mit Mukoviszidose und Gesunden
ZitatEin Mensch besteht im Durchschnitt aus etwa 30 Billionen Körperzellen – und ebenso vielen Bakterien. Ohne sie sind wir nicht lebensfähig. Nicht nur im Darm, auf unserer Haut oder im Magen übernehmen die Mikroorganismen wichtige Aufgaben. Auch die Lunge hat ein Mikrobiom, eine Lebensgemeinschaft aus Bakterien, Viren und Pilzen, die für die Funktion des Organs unverzichtbar ist.
Zitat„Bis vor kurzem galten die unteren Atemwege des Menschen als steril“, erklärt Professor Tümmler. Daher hätten die meisten Studien die Mikrobiologie der Lunge nur bei akuten Infektionen oder chronischen Lungenerkrankungen untersucht. „In unserer Arbeit haben wir erstmals Hustenabstriche von gesunden Kindern im Alter von drei Wochen bis sechs Jahren gesammelt, auf die vorhandenen Mikroorganismen getestet und mit denen von gleichaltrigen Mukoviszidose-Erkrankten verglichen“, erklärt der Forschungsgruppenleiter.
ZitatDabei stellten die Wissenschaftler fest, dass sich das Lungenbiom der gesunden und kranken Kinder in den ersten drei Lebensjahren kaum voneinander unterscheidet. „Sie hatten eine ganz ähnliche Zusammensetzung aus unterschiedlichen Bakterienarten, die offenbar in Wechselbeziehung zueinander stehen und eine Art Netzwerk bilden“, sagt die Erstautorin. Dazu gehören überraschenderweise auch Krankheitskeime wie Staphylococcus aureus oder der gefürchtete Mukoviszidose-Erreger Pseudomonas aeruginosa, der als Umweltkeim überall vorkommt – auch im Trinkwasser. Im ersten Lebensjahr ist dieses Netzwerk bei Kindern mit zystischer Fibrose (cystic fibrosis, CF) zwar etwas instabiler, bei Zwei- bis Dreijährigen gibt es jedoch kaum Unterschiede. Erst mit zunehmendem Alter ändert sich das Mikrobiom bei CF-Betroffenen wieder. Die Vielfalt der Bakterienarten nimmt ab, die Krankheitskeime überwiegen und setzen sich chronisch in der Lunge fest und das sensible Netzwerk bricht auseinander. Bei gesunden Kindern dagegen bleibt das Netzwerk stabil, obwohl ihre Lungen eine deutlich höhere Bakterienlast aufweisen.
„Aus unserer Studie geht hervor, dass für eine gesunde Lunge die Gesamtzusammensetzung des Mikrobioms entscheidend ist“, betont Studienleiter Tümmler.